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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Löcher. Er kam Anderson so nahe, dass ich meinte, er würde sie gleich küssen.
    »Sie stinken!« Sie versuchte, sich von ihm zu entfernen. »Komisch, dass einem so was bei einem Job wie diesem passiert.« »Lassen Sie mich in Ruhe!«
    Aber das tat er nicht. Sie wich nach rechts und links aus, aber bei jedem Schritt stellte er sich ihr in den Weg wie ein Berg, bis sie mit dem Rücken an riesigen Säcken mit Kohlenstoff lehnte, der für die Westindischen Inseln bestimmt war.
    »Was glauben Sie eigentlich, dass Sie tun?« Seine Worte packten sie beim Kragen. »Da liegt eine verwesende Leiche in einem Frachtcontainer in einem internationalen Hafen, wo die Hälfte der Leute kein verdammtes Wort Englisch spricht, und Sie beschließen, den Fall ganz allein zu bearbeiten?«
    Kies wirbelte auf, der schwarze Crown Victoria näherte sich in rasantem Tempo.
    »Miss Detective kriegt ihren ersten Fall. Und da kommt es nur allzu gelegen, wenn die leitende Gerichtsmedizinerin höchstpersönlich und auch ein paar TV-Hubschrauber auftauchen.«
    »Ich werde ein Disziplinarverfahren gegen Sie einleiten«, schrie Anderson ihn an. »Ich werde einen Haftbefehl gegen Sie erwirken.«
    »Wegen was? Weil ich stinke?«
    »Sie sind ein toter Mann!«
    »Nein. Da drin liegt ein toter Mann.« Marino deutete auf den Container. »Und tot werden Sie sein, wenn Sie in diesem Fall vor Gericht aussagen müssen.«
    »Marino, komm schon«, sagte ich, als der Crown Victoria unzulässigerweise bis auf das Dock fuhr.
    »He!« Shaw lief ihm nach und winkte. »Hier dürfen Sie nicht parken!«
    »Sie sind nichts weiter als ein verbrauchter, versiffter, gewalttätiger Verlierer«, sagte Anderson zu Marino, als sie davontrottete.
    Marino riss sich die Handschuhe von den Händen und zog die blauen, mit Plastik verstärkten Papierüberschuhe aus, indem er mit einem Fuß die Ferse des jeweils anderen heruntertrat. Er hob sein verdrecktes Hemd auf, indem er nach der Ansteckkrawatte fasste, die sich jedoch verselbstständigte. Dann trampelte er auf beiden herum, als würde er ein Feuer austreten. Ich hob sie auf und warf sie zusammen mit meinen Sachen in einen roten Sack für biologisch gefährlichen Abfall.
    »Bist du fertig?«, fragte ich ihn.
    »Ich hab noch nicht mal angefangen«, sagte Marino und sah zu, wie die Fahrertür des Crown Victoria geöffnet wurde und ein uniformierter Polizist ausstieg.
    Anderson ging um die Lagerhalle und steuerte schnellen Schritts auf den Wagen zu. Ebenso Shaw. Die Hafenarbeiter konnten die Augen nicht abwenden, als eine auffällig attraktive Frau in Uniform mit funkelnden Abzeichen aus dem Wagen stieg. Sie sah sich um, während alle Welt sie beobachtete. Ein Mann pfiff. Dann ein anderer. Dann schallte es auf dem Dock, als würden Schiedsrichter alle nur erdenklichen Fouls pfeifen.
    »Lass mich raten«, sagte ich zu Marino. »Bray.«

5
    Die Luft war erfüllt vom Summen gieriger Fliegen; das warme Wetter und die Tageszeit trugen zu ihrer Lautstärke bei. Die Männer vom Transportdienst hatten die Bahre in die Lagerhalle getragen und warteten auf mich.
    »Puuh«, sagte einer von ihnen, schüttelte den Kopf und verzog angewidert das Gesicht. »Himmel noch mal.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte ich, als ich saubere Handschuhe und Überschuhe anzog. »Ich gehe vor. Es wird nicht lange dauern.
    Versprochen.«
    »Ist mir nur recht, gehen Sie vor.«
    Ich betrat erneut den Container, und sie folgten mir, achteten genau darauf, wohin sie traten, und hielten die Bahre nahe an den Körper wie eine Sänfte. Sie atmeten mühsam hinter ihren OP-Masken. Beide Männer waren alt und übergewichtig und hätten eigentlich keine schweren Lasten mehr heben sollen.
    »Nehmt ihn an den Unterschenkeln und Füßen«, wies ich sie an. »Und bitte vorsichtig, weil wir ihm sonst die Haut abziehen.
    Am besten wäre es, wenn wir ihn an der Kleidung zu fassen kriegen.«
    Sie stellten die Bahre ab und beugten sich über die Füße des toten Mannes. »Himmel«, murmelte einer noch mal.
    Ich schob meine Arme unter seine Achselhöhlen. Sie fassten ihn an den Knöcheln.
    »Okay. Auf drei heben wir ihn hoch«, sagte ich. »Eins, zwei, drei.«
    Die Männer kämpften um ihr Gleichgewicht. Sie keuchten und richteten sich auf. Die Leiche war schlaff, weil die Totenstarre bereits wieder gewichen war. Wir hievten sie auf die Bahre und wickelten sie in ein Tuch. Dann zog ich den Reißverschluss des Leichensacks zu, und die Männer trugen ihn davon. Sie würden ihn ins

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