Blinder Passagier
mal, Doc.« Marino wurde immer unerbittlicher.
»Ich dachte, es geht darum, sie fertig zu machen.« »Entspann dich und lass mich reden.«
»Ich soll mich entspannen? Ich möchte der Kuh das Genick brechen.«
»Wir müssen klug vorgehen. Wenn wir hinter der Deckung vorpreschen und zu schießen anfangen, werden wir womöglich zuerst getroffen.«
»Willst du ihr etwa nicht ins Gesicht sagen, dass du weißt, was sie getan hat? Die E-Mail an Chuck und so weiter?«
Er konnte es nicht glauben, war wütend und wiederholte sich.
»Warum zum Teufel sind wir dann hier?«, fragte er.
»Marino, du solltest es eigentlich besser wissen«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Du bist ein erfahrener Detective, und das musst du bei ihr auch sein. Sie ist gefährlich. Ich kann dir jetzt schon sagen, dass du diese Frau mit reiner Muskelkraft nicht in die Ecke stellen wirst.«
Er schwieg.
»Halt du hier die Augen offen, während ich mich im Restaurant umsehe. Wenn sie hier auftaucht, dann schick mit eine zehnvier auf den Pager und ruf im Restaurant an und hol mich ans Telefon, nur für den Fall, dass ich aus irgendeinem Grund deine Page-Nachricht nicht kriege«, sagte ich.
Er zündete sich wütend eine Zigarette an, als ich meine Tür öffnete.
»Das ist verdammt noch mal nicht fair«, sagte er. »Wir wissen ganz genau, was sie vorhat. Meiner Meinung nach sollten wir sie stellen und ihr klarmachen, dass sie nicht so schlau ist, wie sie glaubt.«
»Du weißt besser als alle anderen, wie man einen Fall konstruiert«, sagte ich. Allmählich machte ich mir Sorgen, dass er nicht in der Lage wäre, sich zu beherrschen.
»Wir haben gesehen, was sie Chuck geschrieben hat.«
»Sprich leiser«, sagte ich. »Wir können genauso wenig beweisen, dass sie diese E-Mails geschickt hat, wie ich beweisen kann, dass ich die E-Mails, die angeblich von mir sind, nicht geschrieben habe. Und wo wir schon dabei sind, ich kann noch nicht mal beweisen, dass nicht ich diesen Chat Room veranstalte.«
»Vielleicht sollte ich einfach Söldner werden.«
Er blies Rauch in den Rückspiegel und sah sich um.
»Du piepst oder rufst mich an«, sagte ich, als ich ausstieg.
»Was, wenn du meine Nachricht nicht rechtzeitig kriegst?«
»Dann überfahr sie mit deinem Wagen«, sagte ich ungeduldig und knallte die Tür zu.
Ich schaute mich um, während ich auf das Restaurant zuging, entdeckte aber keine Spur von Bray. Ich hatte keine Ahnung, was für ein Auto sie privat fuhr, aber ich vermutete, dass sie sowieso nicht mit ihrem eigenen Wagen vorfahren würde. Ich zog die schwere Holztür von Buckhead's auf und wurde von sorglosem Geplauder und klimpernden Eiswürfeln begrüßt. Der Barkeeper mixte schwungvoll Drinks. Der präparierte Kopf eines Rehbocks, der an der Wand hing, erklärte den Namen des Restaurants. Das Licht war gedämpft, die Holztäfelung dunkel, und Kisten und Regale mit Wein reichten fast bis zur Decke.
»Guten Abend.« Die Empfangsdame lächelte überrascht. »Wir haben Sie vermisst, aber aus den Nachrichten weiß ich, dass Sie sehr beschäftigt waren. Kann ich Ihnen helfen?«
»Haben Sie eine Reservierung auf den Namen Bray?«, fragte ich. »Die Uhrzeit weiß ich nicht genau.«
Sie sah in dem großen Reservierungsbuch nach, tippte mit einem Bleistift auf Namen und Uhrzeiten. Dann versuchte sie es noch einmal. Sie wurde verlegen. Schließlich war es auch an einem Werktag unmöglich, unangemeldet in ein gutes Restaurant zu schlendern. »Tut mir Leid«, sagte sie leise.
»Hmm. Vielleicht wurde unter meinem Namen reserviert?« Sie versuchte es ein weiteres Mal.
»Nein, tut mir Leid, Dr. Scarpetta. Und heute Abend sind wir voll besetzt, weil eine Gruppe den ganzen vorderen Raum reserviert hat.«
Es war zwanzig vor sechs. Auf den Tischen lagen rot karierte Tischdecken, kleine Lampen standen darauf, und der Raum war vollkommen leer, weil zivilisierte Menschen selten vor sieben Uhr zu Abend aßen.
»Ich wollte mit einem Freund was trinken«, fuhr ich fort. »Wenn Sie uns unterbringen, könnten wir ja etwas früher essen. Vielleicht so gegen sechs?«
»Das ist überhaupt kein Problem«, sagte sie, und ihre Miene hellte sich auf.
»Dann schreiben Sie mich auf«, sagte ich, während meine Bedenken wuchsen.
Was, wenn Bray merkte, dass Chucks Wagen nicht auf dem Parkplatz stand, und Verdacht schöpfte?
»Also dann um sechs.«
Ich achtete auf den Pager an meinem Gürtel und horchte, ob ein Telefon klingelte. »Wunderbar«, sagte ich.
Dieses
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