Blinder Passagier
Supervisor besprechen.«
Nachdem er aufgelegt hatte, starrte ich das Telefon an. »Was?«, fragte Marino.
»Der Einsatz ist schief gelaufen. Lucy hat zwei Menschen erschossen -«
»War die Schießerei okay?«, schnitt er mir das Wort ab. »Keine Schießerei ist okay!«
»Verdammt noch mal, Doc, du weißt, was ich meine. War sie gerechtfertigt? Erzähl mir bloß nicht, dass sie aus Versehen zwei verdammte Agenten erschossen hat!«
»Nein, natürlich nicht. Jo wurde angeschossen. Ich bin mir nicht sicher, wie es ihr geht.«
»Scheiße!«, rief er und schlug so fest mit der Faust auf die Abstellfläche, dass die Teller im Trockengestell klapperten. »Lucy musste los und es jemandem zeigen, stimmt's? Sie hätten sie nie einem solchen Einsatz zuteilen dürfen. Das hätte ich ihnen auch sagen können! Sie hat nur auf eine Gelegenheit gewartet, jemandem das Gehirn aus dem Kopf zu blasen, wie ein verdammter Cowboy mit gezogener Waffe hereinspaziert zu kommen, um es allen heimzuzahlen, die sie im Leben hasst -«
»Marino, hör auf.«
»Du hast ja selbst gesehen, wie sie ist, neulich bei dir zu Hause«, wetterte er weiter. »Seit Benton ermordet wurde, ist sie völlig von der Rolle. Als Rache hat es ihr nicht mal gereicht, den verfluchten Hubschrauber abzuschießen und Carrie Grethen und Newton Joyce als Hackfleisch im Wasser zu versenken.«
»Das reicht«, sagte ich erschöpft. »Bitte, Marino. Das hilft uns nicht weiter. Lucy ist ein Profi, und das weißt du auch. Das ATF hätte ihr diesen Auftrag nie gegeben, wenn sie keiner wäre. Sie kennen ihre Geschichte, und nach der Sache mit Benton haben sie sie ausführlich begutachtet und psychologisch beraten. Wie sie diesen Albtraum bewältigt hat, hat ihnen im Gegenteil noch mehr Respekt für sie eingeflößt, als Agentin und als Mensch.«
Er schwieg und machte eine Flasche Jack Daniel's auf. Dann sagte er: »Du und ich, wir wissen, dass sie es nicht sehr gut bewältigt hat.«
»Lucy war immer in der Lage, die Dinge auseinander zu halten.«
»Ja, und wie gesund ist das?«
»Das sollten wir am besten uns selbst fragen.«
»Ich sage dir, Doc, diesmal wird sie nicht so leicht damit fertig werden«, sagte er, goss Bourbon in ein Glas und warf ein paar Eiswürfel dazu. »Sie hat vor knapp einem Jahr im Dienst zwei Menschen umgebracht, und jetzt hat sie es wieder getan. Die meisten Typen schießen während ihrer gesamten Karriere auf niemandem. Deswegen will ich dir begreiflich machen, dass die Sache diesmal anders gesehen werden wird. Die großen Tiere in Washington werden darüber nachdenken, ob sie es hier vielleicht mit einer Revolverheldin zu tun haben, mit einem Problemfall.«
Er reichte mir den Drink.
»Ich kenne diese Art Polizisten und Agenten«, sagte er. »Sie haben immer vertretbare Gründe für einen justiziablen Mord, aber wenn man genauer hinsieht, hat man den Verdacht, dass sie es unbewusst drauf anlegen, dass etwas schief geht. Davon leben sie.«
»Lucy ist nicht so.«
»Ja, nur dass sie seit dem Tag ihrer Geburt schlecht drauf ist.
Und übrigens, du fährst heute Abend nirgendwo mehr hin. Du bleibst hier bei mir und dem Weihnachtsmann.«
Er goss sich auch einen Bourbon ein, und wir gingen in sein heruntergekommenes, vollgestopftes Wohnzimmer mit den schiefen Lampenschirmen, den verbogenen, verstaubten Jalousien und dem Glastisch mit den scharfkantigen Ecken, den er mir in die Schuhe schob. Er ließ sich in seinen Fernsehsessel fallen, der so alt war, dass er die Risse in dem braunen kunstledernen Bezug mit Isolierband hatte zukleben müssen. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich sein Haus betreten hatte. Nachdem ich mich von meiner Bestürzung erholt hatte, bemerkte ich, wie stolz er darauf war, alles zu benutzen, bis es auseinander fiel.
Die einzigen Ausnahmen waren sein Pickup, sein Swimmingpool und seit kurzem seine Weihnachtsdekorationen.
Er sah, dass ich betrübt seinen Stuhl betrachtete, während ich mich wie gewöhnlich in eine Ecke der grünen Kordsamtcouch setzte. Sie leistete keinerlei Widerstand, wo sie mit einem Körper in Kontakt geriet, aber sie war bequem.
»Eines Tages werde ich mir einen neuen Sessel kaufen«, sagte er, drückte auf einen Hebel an der Seite, und die Fußstütze klappte aus.
Er bewegte die Füße, als hätte er einen Krampf in den Zehen, und schaltete den Fernseher ein. Es überraschte mich, als er Kanal einundzwanzig einstellte, den Kunst & Unterhaltungssender.
»Ich wusste gar nicht, dass du Biography
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