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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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vorbei, gefolgt von einem Gemeindebus, während ich die Treppe hinaufeilte. Ich fühlte mich von den vielen Lichtern wie angestrahlt und zur Schau gestellt.
    »Jedes Mal, wenn ich deinen Garten sehe, fühle ich mich bestätigt: Du hast den Verstand verloren«, sagte ich, als Marino die Tür öffnete und ich mich rasch den neugierigen Blicken entzog.
    »Letztes Jahr war schon schlimm genug.« »Ich habe jetzt drei Sicherungskästen«, sagte er stolz. Er trug Jeans, Socken und ein rotes Flanellhemd, das hinten aus der Hose hing. »Wenigstens macht mich etwas glücklich, wenn ich nach Hause komme«, sagte er. »Pizza ist unterwegs. Ich habe Bourbon, wenn du welchen willst.« »Was für eine Pizza?«
    »Die ich bestellt habe. Mit allem. Geht auf meine Rechnung.
    Papa John's braucht meine Adresse nicht mehr. Sie fahren einfach den Lichtern nach.«
    »Wie wäre es mit heißem koffeinfreien Tee?«, fragte ich, ziemlich sicher, dass er so etwas nicht hatte.
    »Du machst wohl Witze«, sagte er.
    Ich sah mich um, als wir durch das Wohnzimmer in die kleine Küche gingen. Natürlich hatte er sein Haus auch im Inneren geschmückt. Ein Weihnachtsbaum stand blinkend neben dem Kamin. Geschenke, nahezu alles Attrappen, türmten sich, und in jedem Fenster hingen Lichterketten in Form roter Chilischoten.
    »Bray hat mich angerufen«, sagte ich und ließ Wasser in den Teekessel laufen. »Jemand hat ihr meine Telefonnummer gegeben.«
    »Rate mal wer.« Er riss die Kühlschranktür auf, seine gute Laune verschlechterte sich rapide. »Und ich meine auch zu wissen, warum.« Ich stellte den Kessel auf den Herd und schaltete das Gas ein. Lichter flackerten.
    »Deputy Chief Carson hat heute den Dienst quittiert. Oder was man den Dienst quittieren nennt«, sagte ich.
    Marino riss eine Bierdose auf. Er ließ sich nicht anmerken, ob er mir zugehört hatte.
    »Hast du gewusst, dass er aufgehört hat?«, fragte ich.
    »Ich weiß überhaupt nichts mehr.«
    »Offensichtlich ist Major Inman sein Nachfolger -«
    »Na klar, natürlich«, sagte Marino sehr laut. »Und weißt du warum? Weil es zwei Majors gibt, einen in Uniform, den anderen bei der Kriminalpolizei, und selbstverständlich lässt Bray ihren Jungen in Uniform übernehmen.«
    Er leerte die Dose in ungefähr drei Zügen. Dann zerdrückte er sie und schleuderte sie in den Abfall. Er verfehlte sein Ziel, und die Dose klapperte über den Boden.
    »Weißt du, was das bedeutet?«, fragte er. »Ich werd's dir sagen.
    Es bedeutet, dass Bray jetzt Uniform und Kriminalpolizei kontrolliert, und das bedeutet, dass ihr die ganze verdammte Polizei untersteht und wahrscheinlich auch das ganze Budget. Und Inman ist ihr größter Fan, weil sie ihn gut aussehen lässt. Sag mir, wie schafft die Frau das, nach nur drei Monaten?«
    »Sie hat eindeutig Verbindungen. Hatte sie wahrscheinlich schon, bevor sie diesen Job übernommen hat. Und ich meine nicht nur Verbindungen zum Polizeipräsidenten.«
    »Zu wem dann?«
    »Marino, es könnte jeder sein. Im Augenblick spielt es keine Rolle. Dafür ist es zu spät. Jetzt haben wir es mit ihr zu tun, nicht mit dem Chief. Mit ihr, nicht mit der Person, die vielleicht an den Fäden gezogen hat.«
    Er öffnete eine zweite Bierdose und marschierte wütend in der Küche auf und ab.
    »Jetzt weiß ich auch, warum Carson am Hafen aufgetaucht ist«, sagte er. »Er wusste, was passieren würde. Er weiß, wie übel diese Scheiße stinkt, und vielleicht hat er versucht, uns auf seine Weise zu warnen, oder er wollte sich verabschieden. Seine Karriere ist vorbei. Ende. Letzter Fall. Aus und vorbei.«
    »Er ist so ein guter Mann«, sagte ich. »Verdammt noch mal, Marino, es muss doch irgendetwas geben, was wir tun können.«
    Sein Telefon klingelte, und ich zuckte zusammen. Draußen auf der Straße fuhren beständig Autos vorbei. Marinos blecherne Musikanlage, die ununterbrochen Weihnachtslieder spielte, war wieder bei »Jingle Bells« angelangt.
    »Bray will mit mir über so genannte Veränderungen sprechen, die sie durchsetzen will«, sagte ich.
    »Oh, das kann ich mir vorstellen«, sagte er und lief in Socken über das Linoleum. »Und vermutlich sollst du alles liegen und stehen lassen, wenn sie ganz plötzlich mit dir zu Mittag essen will, und das wird sie wollen, dich zwischen zwei Scheiben Brot mit einer Menge Senf verspeisen.«
    Er nahm den Telefonhörer ab.
    »Was?«, schrie er dem armen Menschen am anderen Ende der Leitung ins Ohr.
    »Hm, hm. Ja«, sagte Marino und hörte

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