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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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von hellen und dunklen Kontrasten arbeiteten, um dem Bösen ein Gesicht zu geben. Lapointe war einer der ersten Absolventen unseres Instituts, er war begabt und entschlossen, hatte aber noch nicht gelernt, zum Nächsten überzugehen, wenn ein Fall sich absolut nicht bewegen wollte.
    »Verdammt«, sagte er, fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes rotes Haar und blinzelte, während er sich zu einem vierundzwanzig Zoll Bildschirm vorneigte.
    »Ich hasse es, Ihnen das antun zu müssen«, sagte ich.
    Er tippte ungeduldig auf ein paar Tasten, und eine andere Grauschattierung legte sich über ein Standbild aus einem Video, das in einem Tante-Emma-Laden aufgenommen worden war. Die Gestalt mit der dunklen Brille und dem Haarnetz wurde nicht viel deutlicher, aber der Verkäufer war klar zu sehen, als Blut wie ein feiner Nebel aus seinem Kopf spritzte.
    »Ich probiere und mache, und ich hab's fast, und dann ist es wieder weg«, beklagte sich Lapointe und seufzte. »Ich sehe das verdammte Bild im Schlaf.«
    »Unglaublich«, sagte ich und starrte auf den Bildschirm. »Sehen Sie nur, wie entspannt er ist. Es wirkt wie ein verspäteter Gedanke, nichts Besonderes. Wie ein Was-zum-Teufel, ein Na-gut-okay.«
    »Ja, das sehe ich auch.« Lapointe streckte sich. »Hat den Mann ohne ersichtlichen Grund einfach erschossen. Das verstehe ich nicht.«
    »Ich gebe Ihnen noch ein paar Jahre, dann werden Sie es verstehen«, sagte ich.
    »Ich möchte nicht zynisch werden, falls Sie das meinen.«
    »Nein, das hat nichts mit Zynismus zu tun. Ich meinte, bis Sie endlich begreifen, dass es keine Gründe geben muss«, sagte ich.
    Er starrte auf den Bildschirm, tauchte ein in dieses letzte Bild, das Pyle Gant lebend zeigte. Ich hatte seine Autopsie durchgeführt.
    »Mal sehen, was wir hier haben«, sagte Lapointe und nahm das Handtuch von der chirurgischen Schale.
    Gant war dreiundzwanzig Jahre alt gewesen, hatte ein zwei Monate altes Baby und hatte Überstunden gemacht, um das Halsband bezahlen zu können, das er seiner Frau zum Geburtstag schenken wollte.
    »Das muss vom Container-Mann stammen. Meinen Sie, es ist eine Tätowierung?«
    Gant hatte seine Blase nicht mehr beherrschen können, bevor er starb.
    »Dr. Scarpetta?«
    Ich wusste das, weil das Gesäß seiner Jeans und der Sitz des Stuhls hinter dem Ladentisch mit Urin vollgesogen waren. Vor dem Fenster hielten zwei Polizisten seine hysterische Frau auf dem Parkplatz fest.
    »Dr. Scarpetta?«
    Sie schrie und schlug um sich. Sie trug eine Zahnspange. »Einunddreißig Dollar und zwölf Cent«, murmelte ich vor mich hin.
    Lapointe speicherte die Datei und schloss sie.
    »Wie bitte?«, fragte er mich.
    »So viel war in der Kasse«, erwiderte ich.
    Lapointe drehte sich mit seinem Stuhl um, öffnete Schubladen, nahm Filter in unterschiedlichen Farben heraus und kramte nach Handschuhen. Das Telefon klingelte, und er hob ab.
    »Einen Augenblick.« Er hielt mir den Hörer hin. »Es ist für Sie.« Es war Rose.
    »Ich habe mit jemandem von der Devisenabteilung der Crestar Bank gesprochen«, sagte sie. »Das Geld, nach dem Sie fragten, ist aus Marokko. Im Augenblick entsprechen neun Komma drei Dirham einem Dollar. Zweitausend Dirham sind demgemäß ungefähr zweihundertfünfzehn Dollar.«
    »Danke, Rose -«
    »Und es gibt noch etwas, das Sie interessieren wird«, fuhr sie fort. »Es ist verboten, das Geld nach Marokko einzuführen oder außer Landes zu bringen.«
    »Ich habe das Gefühl, der Typ hatte seine Hände in vielen verbotenen Sachen«, sagte ich. »Können Sie es noch einmal bei Agent Francisco versuchen?«
    »Sicher.«
    Mein Verständnis für das Protokoll des ATF war rasch der Angst gewichen, dass Lucy mich vielleicht zurückgewiesen hatte. Ich wollte sie unbedingt sehen und war bereit, dafür alles zu tun. Ich legte auf, nahm das Korkbrett aus der Schale, und Lapomte sah es sich unter einer starken Lichtquelle an.
    »Ich bin nicht sehr optimistisch«, sagte er.
    »Fangen Sie bloß nicht an, auch das noch im Schlaf zu sehen«, sagte ich. »Ich habe auch keine große Hoffnung. Wir können es nur versuchen.«
    Was von der Epidermis übrig war, war grünlich schwarz wie ein Sumpf, und das Fleisch darunter wurde zunehmend dunkler und trockner wie geräuchertes Fleisch. Wir legten das Brett unter eine hochauflösende Kamera, die an den Bildschirm angeschlossen war.
    »Nichts«, sagte Lapointe. »Es reflektiert zu sehr.«
    Er versuchte es mit schräg einfallendem Licht und ging dann zu

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