Blinder Rausch - Thriller
nicht!!«
»Hallo Leo, ich kann dich sehen!«, rief ihr kleiner Bruder und beugte sich weit aus dem Küchenfenster hinaus. Hinter ihm erschien Monas Gesicht. Sie drängte nach, weil sie auch etwas sehen wollte. »Bleibt, wo ihr seid. Nicht bewegen!« schrie Leonie. Doch Tobi war dabei, auf die Fensterbank zu klettern, um Mona neben sich Platz einzuräumen. Im ersten Stock des Treppenhauses öffnete Niklas das Fenster. »Was ist?«, fragte er. Leonie deutete zu den Geschwistern. »Tobi! Oben im Fenster!«, schluchzte sie.
»Dein Wohnungsschlüssel, schnell, wirf!«, rief Niklas. Leonie verstand. Sie rannte so dicht es ging zur Hauswand und warf mit aller Kraft das Schlüsselmäppchen in die Höhe. Niklas griff es mit einer schnellen Bewegung aus der Luft. Sie hörte seine Schritte im Treppenhaus poltern.
Leonie stellte sich unter das Küchenfenster. Wenn sie abstürzen, sollen sie auf mich fallen, dachte sie, lieber will auch ich tot sein. Mit brüchiger Stimme versuchte sie, Tobi davon abzuhalten, weiterzuklettern, doch er hörte nicht, sondern beugte sich nun noch weiter vornüber, um sie besser sehen zu können. »Hallo, Leo!«, rief er wieder, winkte ihr zu und reckte sich noch weiter nach vorne. Jetzt fällt er, dachte Leonie und breitete die Arme aus. »Hey«, rief Tobi plötzlich. Eine große Hand hatte ihn wie einen reifen Apfel gegriffen und von der Fensterbank gepflückt. Jetzt erschien Niklas Gesicht oben. »Alles Roger!«, sagte er und schloss beide Fensterflügel. Leonie war kreidebleich. Ihre Knie zitterten. Knapp über ihr erschien die Hofmeister in ihrem Fenster. »Was ist das die ganze Zeit schon wieder für ein Zirkus mit euch? Könnt ihr nicht einmal die Mittagsruhe einhalten? Asoziales Pack!« Leonie ertrug die Beschimpfung wie eine Dusche. »Wir sind jetzt ruhig«, sagte sie leise und die Hofmeister schloss mit finsterer Miene ihr Fenster.
Oben in der Wohnung schärfte sie ihren Geschwistern ein, Mama und Papa bloß nichts von dieser Aktion zu erzählen, sonst bekämen sie riesigen Ärger. Niklas hatte die Szene mit regloser Miene beobachtet und dann kommentiert: »Die beiden Zwerge können wohl am wenigsten dazu!« Dann hatte er Leonie den Schlüssel in die Hand gedrückt und war gegangen. Leonie starrte einen Moment auf die Wohnungstür, die sich hinter ihm geschlossen hatte. Dann lief sie ihm nach und erwischte ihn auf den ersten Stufen. »Nik, warte!« Er wandte sich um. »Danke!«, sagte sie leise. »Tausend Dank. Das werde ich dir nie vergessen!« Er sah hinab zu ihr. Nicht das geringste Lächeln stand in seinen Mundwinkeln. Es war etwas Eisiges und Ernstes in seinem Gesicht, das sie nicht deuten konnte. Vielleicht war es auch eine tiefe Traurigkeit. Warum aber? Sie lächelte beharrlich, um ihn damit anzustecken. Doch seine Miene blieb steinern. »Schon okay«, sagte er dann, wandte sich um und stieg mit schweren Schritten die Treppe nach oben.
Beim Abendessen hielten sich die Geschwister erstaunlicherweise an Leonies Anweisungen und verloren kein Wort über den Vorfall am Fenster. Leonie erklärte sich das unter anderem auch damit, dass die beiden Kleinen die Gefahr gar nicht gesehen hatten, in der sie schwebten. Langsam entspannte auch sie sich wieder und setzte sich an ihr Laptop. Hier stockte ihr der Atem. Das Wunder war geschehen! Sie tauchte auf der Liste der Freunde Frederiks auf. Dort war zu lesen: Hey, ihr seid alle eingeladen, nächsten freitag ab 22.00 Uhr bei mir zu hause is party. Hölderlinstraße 8 ich will mit euch in meinen 1 8. reinfeiern hey und ich hab endlich den lappen! Fred
Er hatte sie eingeladen! Er hatte es getan, endlich! Und eigentlich hätte er es schon viel früher getan, wenn nicht der blöde Nik mit seinem Kindertheater dazwischen gekommen wäre. Aber eigentlich war Nik gar nicht so schlimm, räumte sie dann ein, denn eines hatte er heute klar gezeigt, man konnte sich auf ihn verlassen. Zum einen wegen der Aktion mit den Geschwistern, aber zum anderen auch, weil er sich schnell mit Frederik in Verbindung gesetzt haben musste, um zu klären, dass Leonie nicht Niklas Freundin war. Leonie surfte auf einer Woge von Glück. Ich bin eingeladen! Ich bin eingeladen, schäumte es in ihr. Hölderlinstraße. Der wohnte also im Dichterviertel. Stinkreiche Gegend. Wieder sah sie das Bild mit dem weißen Cabrio vor Augen. Sie sah sich und ihn auf einer Sonnenterrasse in einer überdimensionalen Liege räkeln mit klirrenden Drinks in der Hand. Er richtete sich auf,
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