Blinder Rausch - Thriller
hatte er die Tür hinter sich zugezogen, lehnte er sich mit dem Rücken erschöpft dagegen und atmete tief aus. Jegliches Lächeln war verschwunden. Sein erstes Abenteuer mit einem Mädchen hatte er sich deutlich unkomplizierter vorgestellt. Er lauschte an der Tür. Zunächst war es ganz still im Zimmer. Dann hörte er, wie sie sich bewegte. Leichtes Klappern war zu vernehmen. Dann ertönte Musik. Oh, die hatte sich aber erstaunlich schnell eingelebt, hatte seine CD -Sammlung durchforstet und gleich was Stimmungsvolles gefunden! Er hörte ihre Kleidung rascheln und ihre Schritte, mal näher, mal weiter weg. Was machte sie da? Tanzte sie? Nur so waren ihre ständigen Bewegungen zu erklären. Wieder das Rascheln von Kleidung. Er versuchte, sich das Mädchen vorzustellen, wie sie sich wiegend im Takt der Musik bewegte. Unwillkürlich entstand vor ihm das Bild, wie sie mit geschmeidigen Bewegungen den Saum ihres T-Shirts griff und sich über den Kopf zog. Ein Strip. Mannomann, dann war sie also doch genau der heiße Feger, den Jens ihm beschrieben hatte. Tat erst so unschuldig. Alles Masche! Wenn er gleich mit den Drinks zurückkäme, würde sie ihn gebührend empfangen. Und er? Niklas schluckte. Er schielte zur Wohnungstür und spürte kurzzeitig den Drang, einfach abzuhauen. Aber das war unmöglich. Wenn er das jetzt tat, würden morgen alle maßgeblichen Typen in der Schule von ihr erfahren, was er für ein Loser war. Er hatte das Ganze angefangen und musste es zu Ende bringen, und zwar wie ein Profi. Bloß nichts anmerken lassen! In der Küche begann er Limo in zwei hohe Gläser abzufüllen. In der Bewegung hielt er inne. Limo? Nur Limo? Die war bestimmt anderes gewöhnt. Im Kühlschrank fand er eine Flasche Wodka, die dort schon seit Jahren stand. Er füllte die Gläser halb mit Limo, halb mit Wodka. Er stellte beides auf das Küchentablett. Dazu füllte er Salznüsschen in eine kleine Schale. Salznüsschen? Wie spießig. Er stellte die Salznüsschen wieder weg und stellte die Wodkaflasche mit der Limoflasche auf das Tablett, damit sie bei Bedarf schnell nachschenken konnten. Gerade wollte er sich auf den Weg machen, als er an sich heruntersah. Er trug noch immer seinen Trainingsanzug. Das ging ja gar nicht. Er konnte unmöglich im Trainingsanzug in einer Stripszene erscheinen. Sollte er sich am Ende ausziehen? Er zögerte. Wie machten die das im Film? Vor seinem geistigen Auge erschien ein gut aussehender, dunkelhaariger Muskeltyp im flauschig weißen Bademantel. Bademantel, klar! Aber sein Bademantel lag in dem Kleiderwust auf dem Korbsessel. Blieb nur noch Mariannes Modell. Schwarze Seide mit einem aufgestickten Blütenzweig in Pink. Modell Japan. Besser als nichts. Er schlüpfte ins Bad, zog sich aus. Sprayte Deo unter die Achseln, nahm Mariannes Mantel vom Haken an der Tür und zog ihn an. Er spannte über den Schultern. Der Bindegürtel hielt die beiden Teile notdürftig zusammen. Egal. Ist ja nicht für lang, dachte er. Er betrachtete sich im Spiegel. Das sah schon etwas gewöhnungsbedürftig aus. Aber dieser ganze Abend war gewöhnungsbedürftig. Zufällig griff er in die Taschen des Bademantels. Er fand ein zerknülltes Papiertaschentuch und warf es ins Klo. Dann knisterte da noch etwas anderes und er zog ein unversehrtes Kondompäckchen hervor. Wie praktisch! Er ließ es wieder in die Tasche gleiten und dachte einen Moment an Pablo und Marianne. Es schauderte ihn, als er sich vorstellte, wie sie es zusammen taten und seine Hochstimmung von vorhin war endgültig verflogen. Vorsichtig schlich er zu seiner Zimmertür und lauschte. Immer noch lief die Musik. Immer noch war sie in Bewegung. Was um alles in der Welt bereitete sie da vor? Und wie konnte er sich jetzt in Szene bringen? Einfach reinplatzen ging gar nicht. Er klopfte vorsichtig und fand das sofort ziemlich peinlich. Zum Glück hörte sie nichts. Er räusperte sich und rief mit Gute-Laune-Stimme: »Kann ich reinkommen?« »Bin noch nicht fertig, gleich«, rief sie. Ihre Stimme klang ein wenig atemlos und Niklas erstarrte. Jetzt hatte er endgültig das Gefühl, diesem Mädchen auf keinen Fall gewachsen zu sein. Er lief in die Küche, nahm die Wodkaflasche vom Tablett und setzte sie an. Er trank in großen Schlucken wie aus einer Wasserflasche nach dem Sport. Die Flüssigkeit erzeugte ein wärmendes Brennen im Hals, landete spürbar im Magen und von dort sofort in den Kniekehlen. Eine Minute später gab es ein sanftes Drehen im Kopf und das Gefühl,
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