Blinder Rausch - Thriller
jemand von den Partyleuten am See einen Hund dabei hatte?« Leonie schaute Anja misstrauisch an. Was war das schon wieder für eine Frage? »Nicht, dass ich wüsste«, antwortete sie nach einigem Zögern.
Im Präsidium warteten bereits Leonies Eltern. Lindemann hatte ihnen von der Aussage ihrer Tochter berichtet. Dann waren sie gemeinsam nach Hause gefahren.
Es klopft an der Tür. Mama steckt den Kopf herein. Als sie sieht, dass Leonie noch wach ist, kommt sie zu ihr ans Bett und setzt sich auf die Bettkante. Sie streicht Leonie ein paar feuchte Haarsträhnen aus der Stirn. »Möchtest du noch etwas trinken?« Leonie schüttelt ein wenig den Kopf. »Seid ihr jetzt sehr sauer auf mich?«, fragte sie. Mama fasst Leonie an den Schultern. »Sauer? Das ist das falsche Wort. Wir sind zutiefst erschrocken, dass so etwas Schreckliches passiert ist, nur weil eine Fünfzehnjährige mal ein kleines Abenteuer erleben will. Bei uns war das auch so – früher – wir haben auch nicht alles unseren Eltern erzählt. Papa und ich haben gerade darüber gesprochen, ob das bei uns alles harmloser war, ob es heute gefährlicher geworden ist. Aber auch damals ist schon einiges passiert. Es ist Glück, einfach nur Glück. Zur falschen Zeit am falschen Ort und dann den falschen Leuten begegnet, hat der Polizist heute zu uns gesagt. Woher soll man wissen, dass man sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Leuten befindet? – Wir sind so froh, dass wir dich wiederhaben und dir nichts passiert ist, aber ich denke auch an Denises Mutter, diese arme Frau, wie die sich jetzt fühlen muss …« »Ja, ich auch«, flüstert Leonie. »Vielleicht sollten wir sie mal besuchen«, schlägt Leonies Mutter vor. »Hhm«, sagt Leonie, und ihre Mutter nimmt sie in den Arm und drückt sie fest. Mit den Worten: »Hoffentlich finden sie diese Dreckskerle bald!«, verlässt sie das Zimmer.
Leonie fällt in einen kurzen, traumlosen Schlaf. Der Signalton einer eingetroffenen SMS weckt sie. Es ist drei Uhr in der Nacht. Die Nummer ist ihr unbekannt.
Wenn du zu den bullen gehst, bist du tot. Leonie erschrickt zutiefst. Wer hat Grund, ihr so etwas zu schreiben? Mit zitternden Fingern tippt sie ein: Wer bist du? Die Antwort kommt sofort. Wenn du namen nennst, bist du eine verräterin. Ihr Verdacht gegen Oliver kommt ihr wieder in den Sinn.
Ich war bei der polizei, aber ich habe dich nicht verraten , antwortet sie.
Du weißt doch gar nicht, wer ich bin , kommt es zurück.
Oliver, lass den scheiß! , antwortet sie trotzig. Darauf reagiert er nicht mehr. Sie sinkt in die Kissen und denkt darüber nach, ob sie jetzt einen verhängnisvollen Fehler begangen hat. Doch dann kommt sie zu dem Entschluss, dass Oliver ihr nicht zu drohen hat und sie sich von ihm nicht einschüchtern lassen will. Morgen Nachmittag soll sie wieder zur Polizei kommen. Sie wird ihnen von Oliver erzählen. Vielleicht lassen sie dann Niklas endlich frei.
Leonie sitzt auf dem Beifahrersitz und beobachtet durch die Seitenscheibe, wie das nachmittägliche Sommerleben der Stadt an ihr vorüberzieht. Leute, die miteinander lachen. Leute, die mit gleichgültiger Miene irgendwo wartend stehen. Sie beneidet sie zutiefst um diese Normalität.
Ihr Vater hat sich in der Uni freigenommen, um seine Tochter ins Präsidium zu begleiten. Heute Morgen war sie zu Hause geblieben und hatte den größten Teil des Vormittags damit verbracht, den versäumten Nachtschlaf nachzuholen. Eine SMS von Frederik war eingetroffen. Wo bist du? – Krank daheim , hatte sie ihm geschrieben. Gute besserung! Ikd , war seine Antwort. Ikda , hatte sie zurückgesendet. Ich küsse dich auch. Morgen würde sie ihn wiedersehen. Hanna hatte mittags angerufen. Sie hatten ein belangloses Gespräch über die Schule geführt und waren erst zum Schluss darauf eingegangen, dass Niklas immer noch in Haft war. »Sercan kann gar nicht glauben, dass Niklas so was getan haben soll«, erklärte Hanna. »Ich kann es mir auch nicht vorstellen«, hatte Leonie geantwortet. Niemandem hatte sie bis jetzt etwas über ihren Besuch bei der Polizei verraten. Eine innere Stimme warnte sie davor.
Auf dem Parkplatz vor dem Präsidium angekommen, sieht sie sich nach allen Seiten um, bevor sie schnell in das Gebäude schlüpft. Ihr Vater wird draußen im Auto warten. Er hat sich von Lindemann am Telefon erklären lassen, dass Leonie ohne Beisein der Eltern unbefangener antworten würde, und sich darauf eingelassen, nicht an der Befragung
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