Blinder Rausch - Thriller
Kopfverletzung war schwer, aber nicht tödlich.« Leonie spürte, wie ihr Herz jagte. In ihrer Erinnerung entstand wieder das Bild des verhängnisvollen Morgens. Nicht weit von ihr im Schilf hatte Denise um ihr Leben gekämpft, und sie hatte es nicht bemerkt!
»Wie ist sie gestorben?«, flüsterte Leonie. »Ertrunken. In 10 cm Wassertiefe«, erklärte Anja bitter. Leonie biss sich auf die Lippen. Sie hätte gerettet werden können, dröhnte ihr durch den Kopf. Schuld! Du bist schuld! Von fern her klang Anjas Stimme: »Ob sie ins Wasser gelegt worden war oder sich selbst dorthin manövriert hatte, konnten wir nicht klären. Die Spurenlage war schlecht wegen des Gewitters und der Parkreinigung. – In ihrem Blut waren ein hoher Alkoholgehalt und Spuren von DBO .« Leonie runzelte die Stirn. » DBO ?« »Butandiol«, erklärte Anja, »auch Liquid Ecstasy oder K.O.-Tropfen genannt. Ein paar Tropfen unbemerkt ins Glas geträufelt, und im Zusammenhang mit Alkohol ist die Wirkung fatal. Die Person wird völlig willenlos und verliert das Gedächtnis.«
Vor Leonie tauchte das Bild eines mit orangefarbener Flüssigkeit gefüllten Glases auf. Sie spürte wieder den leicht bitteren, künstlichen Geschmack des Getränks. Oliver! Sie dachte an sein merkwürdiges Verhalten seit Denises Tod. Sie hatte der Polizei nichts von ihrem Verdacht erzählt, Oliver in keinem Zusammenhang erwähnt. Ein Fehler? In ihrem Kopf purzelte plötzlich eine Fülle von Fragen und Antworten durcheinander. Warum hatte sie Oliver bei ihren Schilderungen ausgeklammert? Zum einen fürchtete sie seine Aggressivität, zum anderen hätte sie dann von der Party berichten müssen. Sollte sie jetzt noch die Geschichte auftischen, dass sie ihn als einen der Jugendlichen im Park erkannt hatte? Damit die Polizei ihn in den Kreis der Verdächtigen aufnahm? Aber warum sollte Oliver Denise umbringen? Er war doch total verknallt in sie? Ein Unfall. Es war ein Unfall, das hatte Anja ihr doch eben gerade erklärt. Oliver hatte Denise durch ein Getränk willenlos gemacht, um sie endlich haben zu können. Dann war etwas aus dem Ruder gelaufen. Das erklärte seine Verzweiflung und sein abwehrendes Verhalten in der Zeit danach.
Leonie runzelte die Stirn. Aber warum hatte er dann Leonie Tropfen ins Glas gegeben?
Als Versuchskaninchen! Er wollte an Leonie ausprobieren, wie das Zeug wirkte. Er hatte ja nicht ahnen können, dass sie dann mit Frederik in jenen Raum abgezogen war, zu dem er keinen Zutritt hatte. Und dann war alles so geschehen, wie Frederik es ihr berichtet hatte. Er hatte Leonies Zustand auf den Alkohol geschoben und sie oben auf der Liege abgelegt. Und dann? Dann war Oliver gekommen und hatte sie von dort weggeholt. Einer mit einem Auto musste ihm geholfen haben. Vielleicht einer, dem er versprochen hatte: Hier, die ist für dich! Wir müssen sie wegschaffen, dass keiner merken kann, dass die nicht nur vom Alkohol so hops ist. Eine verworrene Geschichte. War das Oliver wirklich zuzutrauen? Vielleicht. So gut kannte sie ihn schließlich nicht. Was sie wusste, war, dass Oliver ein Großmaul war. Einer, der immer wollte, dass alle ihn für den King hielten. So einer kann nicht verlieren. Hatte Oliver die schreckliche Tat begangen, weil er ausgerastet war?
»Ist dir noch etwas eingefallen?«, fragte Anja. Leonie schüttelte den Kopf.
»Aber ich habe doch gesehen, wie angestrengt du eben nachgedacht hast! Los, sag schon, auch wenn du vielleicht denkst, dass es nicht wichtig ist!«
»Könnte man auch bei mir feststellen, ob ich diese Tropfen bekommen hab?«, fragte Leonie.
»Nicht mehr«, antwortete Anja. »Das Zeug ist schon nach zwölf Stunden im Blut kaum noch nachweisbar. Bei Lebenden jedenfalls, bei Toten etwas länger.« Leonie schluckte. »Wisst ihr, wann genau Denise gestorben ist?« »Nicht ganz genau, aber in den frühen Morgenstunden des Samstag.« Leonie dachte an den See, der in der aufgehenden Sonne leuchtete und die dunklen Flügelschläge der Vögel im brennenden Licht des Morgenhimmels. Dann waren da die schwarzen Gewitterwolken, die bedrohlich am Horizont aufquollen.
»Ich wünschte, das wäre alles nicht passiert. Ich wünschte, es wäre nur ein schrecklicher Traum und Denise würde morgen wie immer in die Schule kommen!«, brach es aus ihr hervor.
Anja nickte und verzog das Gesicht. »Das höre ich oft«, sagte sie mit spröder Stimme und startete den Motor. Während der Fahrt fragte Anja plötzlich: »Kannst du dich daran erinnern, ob
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