Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
Gesicht in ihrem Haar.
»Ich bin einfach nur?«
»Das genügt schon. Es ist sogar eine ganze Menge.«
Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Sie schien es ihm nicht übel zu nehmen, dass er sein Gesicht in ihrem Haar vergraben hatte, und in ihrem Blick lag keinerlei Verachtung. Sondern vielmehr so etwas wie Zärtlichkeit.
»Tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin.« Er schnaubte. »Ausgerastet. Das ist wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich habe mich wie ein Verrückter aufgeführt.«
»Du warst außer dir.«
»Allerdings. Und bin es immer noch. Trotzdem gibt es keine Entschuldigung für mein Verhalten und für die Dinge, die ich gesagt habe.«
»Ich habe es nicht persönlich genommen.«
»Gut. Ich habe es nämlich auch nicht persönlich gemeint.«
»Ich weiß. Und ich verstehe das.« Ihre Miene verriet ihm, dass sie es auch tat.
Ihm zog es die Kehle zu. »Kannst du mir verzeihen, was glaubst du?«
»Ich habe dich in deinem schlimmsten Zustand gesehen und bin immer noch hier.«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Das war nicht mein schlimmster Zustand. Bei Weitem nicht.«
»Ich bin immer noch hier«, wiederholte sie sanft.
Er sah in ihre sherryfarbenen Augen, die ihn ruhig musterten, und spürte, wie sich hauchdünne Risse durch den dicken Panzer um sein Herz zogen. Schon früh hatte es sich mit dem Tod seiner geliebten Mutter verschlossen, war hart geworden unter der strengen Hand seines Vaters, der keine Liebe für ihn übriggehabt hatte. Und der tägliche Kampf gegen die scheinbar endlosen Grausamkeiten, mit denen die Menschen einander quälten, hatte es vollends zu Stein erstarren lassen.
Doch unter Carolines Blick war jeder Widerstand zwecklos. Winzige Haarrisse zogen sich über seine verkrustete Oberfläche und gestatteten, dass ihre Sanftmut, ihre Freundlichkeit und ihre Güte in sein Inneres vordrangen.
Die Sehnsucht nach ihr schnürte ihm die Luft ab. »Caroline.« Er hielt inne, schluckte hart und versuchte es noch einmal. »Caroline, vor ein paar Wochen warst du noch mit einem anderen Mann verlobt.« Wieder unterbrach er sich und rang nach Worten. »Ich werd’s vermasseln, verdammt. Was ich sagen will …«
»Ich weiß, was du sagen willst.« Im Gegensatz zu seinen stümperhaften Versuchen, leise zu sprechen, gelang es ihr scheinbar mühelos. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Lufthauch, der eher über seine Haut strich, als dass er sie hörte.
Sie beugte sich vor und berührte seinen Mund mit ihren Lippen. Nach wenigen Momenten löste sie sich und ließ ihre Augen suchend über seine Züge wandern, von denen er wusste, dass sie alles andere als dem klassischen Schönheitsideal entsprachen. Nicht einmal ansatzweise. Bis zum heutigen Tag hatte er keinerlei Gedanken auf sein Äußeres verschwendet. Beklommen fragte er sich, ob es irgendetwas an seinem asymmetrischen Gesicht gab, das sie anziehend fand.
Sie hob die Hand, und er spürte ihre Fingerspitzen, kühl und weich wie Blütenblätter, über sein stoppeliges Kinn und die Wangen streichen. Dann beugte sie sich erneut vor und küsste ihn. Und diesmal machte sie keine Anstalten, ihre Lippen wieder zu lösen.
Er gab einen Laut von sich, der ihm, wäre er eine Frau gewesen, das Blut in den Adern gefrieren lassen hätte. Es klang wie etwas, das man im tiefsten Dschungel erwarten würde, doch Caroline zeigte keinerlei Reaktion. Stattdessen entspannten sich ihre Lippen einladend, während er seine Zunge dem Instinkt folgen ließ. Sekunden später war jede Erinnerung an die Küsse mit anderen Frauen vergessen, denn es gab nur noch Caroline. Mit einem Mal hatte das Wort Kuss eine völlig neue Bedeutung für ihn, wurde zu einem Liebesspiel, einem Akt der Verschmelzung, nicht allein von zwei Mündern, sondern von zwei Seelen.
Und sie erwiderte seinen Kuss mit einer unverblümten Leidenschaft und Innigkeit, die ihn verblüffte und zugleich faszinierte. Und sie war auch diejenige, die sich als Erste von ihm löste, um sich anderen Teilen seines Körpers zuzuwenden. Sie schob den Kragen seines Hemds beiseite und presste ihre geöffneten Lippen auf seinen Hals. Wenn sie so etwas tat, hatte sie gewiss nichts dagegen einzuwenden, wenn er seine Hand unter ihre Bluse schob und ihre nackte Haut berührte. Sie hatte nichts dagegen. Seine Finger strichen über ihr zartes Rückgrat und zogen sie enger an ihn. Bereitwillig rutschte sie näher, bis sich ihre Körper fanden und sie sich im Rhythmus ihrer Zungen zu bewegen begannen.
Er war nicht
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