Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
aufging, dass nicht Marvin, der Schwachkopf, der scharf auf seine Freundin war, ihn über den Tisch gezogen hatte, sondern Dodge Hanley, der angehende Detective.
Sein ramponiertes Gesicht sorgte für einiges Aufsehen unter den Kollegen in der Reifenfabrik, als er sich zum Dienst zurückmeldete. Sie bestürmten ihn mit Fragen, was um alles in der Welt passiert sei. Er behauptete, er hätte einen Autounfall gehabt – zum Glück nur ein kleiner Blechschaden. Trotzdem sei der Aufprall heftig genug gewesen, dass er mit dem Gesicht gegen die Windschutzscheibe geknallt war. Das sei ihm eine Lehre, sich künftig immer brav anzuschnallen, meinte er.
Crystal hingegen mied ihn. Beim Mittagessen in der Kantine schenkte sie ihm zwar ein verschämtes, mitfühlendes Lächeln, setzte sich jedoch zu ihren Kolleginnen an den Tisch. Am nächsten Tag lief es genauso ab. Sie tauschten Blicke, doch sie gab ihm keine Gelegenheit, in ihre Nähe zu kommen.
Während ihm der Captain in den Ohren lag, endlich brauchbare Resultate zu liefern, hielten andere Kollegen der Sondereinheit sein versuchtes Abhörmanöver für einen Flop auf der ganzen Linie.
Jeden Abend erfand er nach dem Essen neue Ausreden, um sich loszueisen und zu der Doppelhaushälfte fahren zu können. Er parkte dicht genug davor, um jeden Mucks zu hören, der sich im Haus abspielte, jedoch weit genug entfernt, dass Crystal oder Albright ihn nicht ertappen konnten.
Nur ein einziges Mal schien es ernst zu werden. Er hörte Crystal Albright fragen, was um alles in der Welt er eigentlich dort drüben mache. Wieso es so ein Riesengeheimnis sei und sie keinen Fuß in das Haus nebenan setzen dürfe. Und falls der Vermieter herausfinden sollte, dass Albright es als Lagerraum nutzte, würde er sie auf der Stelle hochkant hinauswerfen. Sie fragte ihn, ob er mit Drogen deale, und drohte, auf der Stelle auszuziehen, falls dem so sei.
Albright gab zurück, dass sie erst ihre Sachen packen würde, wenn er es ihr sagte, und keinen Tag früher. Dann brüllte er sie an, sie solle gefälligst die Schnauze halten und sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angingen.
Bester Dinge fuhr Dodge nach Hause, doch sein Hochgefühl verflog augenblicklich bei Carolines Anblick, die auf der Bettkante saß, mit der einen Hand ihren ausladenden Bauch streichelte und mit der anderen ihren Rücken massierte.
Er lief zu ihr. »Oh Gott, kommt das Baby?«
Liebevoll zerzauste sie ihm das Haar. »Nein, das dauert bestimmt noch zwei Wochen. Ich habe nur Braxton-Hicks-Kontraktionen.«
»Was zum Teufel sind … wie hieß das Zeug?«
»Das ist völlig normal. Es kneift nur ein bisschen.«
»Wenn du mich fragst, sieht es aber nicht so aus.«
»Diese Vorwehen sind ganz normal, bevor es richtig losgeht, sagt der Arzt.«
»Und woher weißt du, wann es richtig losgeht?«
Sie lachte. »Er sagt, das würde ich dann schon merken.«
In dieser Nacht ließ er seine Hand auf ihrem Bauch liegen, auch als sie längst schlief, und fragte sich, wie um alles in der Welt sie bei all dem Aufruhr dort drinnen überhaupt ein Auge zutat.
Tiefe Besorgnis quälte ihn. Wenn ihre Gebärmutter in Proportion zu ihrem restlichen Körper stand, musste sie winzig sein. Für ihn grenzte es ohnehin an ein Wunder, dass eine so zierliche Frau wie sie überhaupt ein Baby austragen konnte. Was, wenn ihr Kind ungewöhnlich groß war? Er konnte sich nicht erinnern, dass ihm jemand erzählt hätte, wie viel er bei der Geburt gewogen hatte, und selbst wenn – er hatte keine Ahnung, wie viel Babys im Allgemeinen auf die Waage brachten, wenn sie zur Welt kamen. Folglich fehlte ihm jede Vergleichsmöglichkeit. Was, wenn er und Caroline ein Riesenbaby gezeugt hatten? Sein Sprössling könnte sie schlicht und einfach von innen heraus zerreißen.
Er lag die ganze Nacht wach und wurde von Visionen einer anatomischen Katastrophe gequält. Folglich fühlte er sich am nächsten Tag wie gerädert, als er sich auf den Weg in die Fabrik machte. Auch Crystal war nicht zur Arbeit erschienen, was seine Stimmung nicht gerade hob. War sie krank? Hatte Albright sie gezwungen, wegen ihres neuen Freundes Marvin zu Hause zu bleiben? War er ein weiteres Mal auf sie losgegangen? Und hatte er sie diesmal etwa verletzt?
Am Ende seiner Schicht machte Dodge sich eilig auf den Weg nach Hause, um nach Caroline zu sehen, bevor er ein weiteres Mal zu Crystals Haus fahren wollte. Um ein Haar rannte er Crystals Kollegin aus der Buchhaltung über den Haufen,
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