Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
anzubieten?«
»Wie ist der Stand der Dinge bei Ihrem kleinen Bruder?«
»Er schmort immer noch in seiner Zelle und wartet auf den Prozess, während sich der Assistent des Staatsanwalts, der noch grün hinter den Ohren ist, sein schwachköpfiger Pflichtverteidiger und der Richter mit wichtigeren Fällen beschäftigen.«
»Die Anklage lautet auf Einbruch, stimmt’s? Wie heißen die Kollegen, die ihn festgenommen haben?«
Sie nannte sie ihm – zwei Kumpels von Dodge. Sollte sie ihm rechtzeitig beschaffen können, was er brauchte, könnte er die beiden möglicherweise zu einem spontanen Gedächtnisverlust überreden, wenn der Fall ihres Bruders vor Gericht verhandelt wurde. »Für zwei hübsche Flaschen Scotch kommt Ihr kleiner Bruder wahrscheinlich mit ein paar Tagen Knast davon, die noch dazu auf die Untersuchungshaft angerechnet werden, das heißt, er kann gleich nach der Verhandlung nach Hause gehen.«
»Die paar Tage geschehen dem kleinen Mistkerl ganz recht. Für seine Blödheit.«
»Aber eins will ich gleich klarstellen, Doris. Wenn er das nächste Mal Scheiße baut, kann er sehen, wie er wieder rauskommt. Ich kriege was von Ihnen, Sie kriegen was von mir, und damit sind wir quitt.«
»Klar.«
Sie versprach ihm, bis zum Abend zu besorgen, was er brauchte – zwar gebraucht und ein bisschen ramponiert, aber trotzdem. »Funktionieren sie denn auch?«
»Wenn Sie ’ne Garantie wollen, müssen Sie in den Elektromarkt gehen.«
»Wie läuft’s eigentlich mit Ihrem Araber-Boss?«, erkundigte er sich, ehe er aufbrach.
»Er verdächtigt mich immer noch, dass ich ihn beklaue.«
Dodge lachte. »Verstehe gar nicht, wie er darauf kommt.«
Aus einer Telefonzelle rief er Caroline an und sagte ihr, sie solle nicht mit dem Essen auf ihn warten. Sie wollte wissen, ob er länger arbeiten müsse. Er bejahte. Sie fragte, ob es gefährlich werden würde. Er verneinte. Sie hakte nicht nach, ob diese Frau etwas damit zu tun hatte. Er war nicht sicher, ob er es ihr gesagt hätte – falls doch, hätte er ihr höchstwahrscheinlich eine reichlich weit gesteckte Version der Wahrheit aufgetischt.
Um neun Uhr fuhr er an Franklins und Crystals Doppelhaushälfte vorbei. Albrights Pick-up war weit und breit nicht zu sehen, trotzdem erschien es ihm klüger, noch eine Weile zu warten, um ganz sicher zu sein. Um Viertel nach neun stellte er seinen Wagen am Straßenrand ab und ging mit seinem Koffer voll Klempnerwerkzeug, das er am Nachmittag in einem Eisenwarenladen erstanden hatte, die Einfahrt hinauf.
Die Haustür stand offen. Er spähte durch die Fliegentür in ein Wohnzimmer, dem deutlich anzusehen war, dass sich jemand große Mühe gegeben hatte, mit wenig Geld eine möglichst gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Das Mädchen hatte es immerhin versucht, das musste man ihm lassen, dachte er liebevoll.
Er klopfte. »Jemand zu Hause?«
Eine Gestalt erschien im Türrahmen am anderen Ende des Raums. Sie trug abgeschnittene Jeans und ein rotes T-Shirt, das sie unter ihren Brüsten – ohne BH – zusammengeknotet hatte. Ihr Haar hatte sie zu einem losen Dutt auf dem Kopf frisiert. Sie sah wie ein Mädchen vom Lande in einem Pornostreifen aus, das eine Horde Hinterwäldler in Fahrt bringen sollte.
Ihre nackten Füße patschten über den Holzboden, als sie herbeigeeilt kam und die Fliegentür entriegelte. »Danke«, hauchte sie leicht atemlos und ließ ihn eintreten. »Das blöde Ding ist immer noch total verstopft. Es ist echt ekelhaft.«
Er schwenkte seinen Handwerkskoffer. »Ich bin zwar kein Experte, aber das kriegen wir schon hin.«
»Komm mit.«
Er folgte ihr in die Küche. »Hätte die Tür nicht offen gestanden, hätte ich gar nicht gewusst, in welcher Hälfte des Hauses du wohnst«, sagte er beiläufig mit einer Kopfbewegung in Richtung des Nebengebäudes. »Ist das da drüben der Teil, in dem Franklin seine Vorräte aufbewahrt?«
»Seine Vorräte?«
»Na ja, er hat dir doch verboten, reinzugehen«, sagte er und machte ein unschuldiges Gesicht. »Deshalb habe ich automatisch auf Drogen getippt.«
»In meiner Gegenwart nimmt er nie Drogen.« Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und deutete auf das Spülbecken. »Da. Das Problem sieht man ja auf den ersten Blick.«
Er stieß einen Pfiff aus. Eine zähflüssige braune Brühe schwamm im Becken herum. Ekelhaft, wie sie gesagt hatte. Sie trat an den Kühlschrank, nahm zwei Flaschen Bier heraus und öffnete sie. Sie stießen auf freie Abflüsse an, dann machte er
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