Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
ist, damit wir endlich hier rauskommen. Geht das vielleicht, ja?«
Ski ignorierte sie und fragte das Mädchen noch einmal freundlich, ob sie ein wenig Zeit brauche, ehe sie weitermachten.
Sie verneinte. Es gehe schon, meinte sie. Ski schob ihr die Kleenex-Schachtel über den Tisch zu. Sie zupfte eines heraus, putzte sich die Nase und wischte sich die Augen ab.
»Er hat also nichts zu Ihnen gesagt?«, fragte Ski, als sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»Nein.«
»Konnten Sie ihn genau erkennen?«
»Ja. Davis hatte ja das Licht angemacht, und da stand er, nicht mal zwei Meter weit von uns weg.«
»Sie sagten vorhin, er sei vollständig bekleidet gewesen.«
»Ja, er hatte eine Freizeithose und ein dunkelblaues Poloshirt an.«
»Neben dem Bett haben wir ein Paar Herrenschuhe gefunden.«
»Seine Füße konnte ich nicht sehen. Aber seine Haare waren ganz zerzaust. Mir fiel auf, dass sie auf einer Seite abstanden. Und seine Augen waren, na ja, irgendwie ganz weit aufgerissen. So als hätte er geschlafen, und wir hätten ihn aus dem Schlaf gerissen. Und als Davis reinkam, hat er sofort gezielt und abgedrückt.«
»Spontan? Aus Reflex? Was glauben Sie?«
»Ja. So was in der Art.«
»Bitte lassen Sie sich von mir keine Worte in den Mund legen, Ms Arnold.«
»Tue ich doch gar nicht. Genau so war’s.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass es dieser Mann war?« Er schlug einen Aktendeckel auf, der vor ihm auf dem Tisch lag, und nahm eine Vergrößerung von Oren Starks’ Foto aus der Personalabteilung von Delray heraus. Das Mädchen nickte eifrig. »Ja, ich bin ganz sicher.«
Ski legte das Foto in den Aktendeckel zurück. »Und was ist dann passiert? Nachdem er den Schuss auf Davis abgegeben hatte?«
Wieder brach sie in Tränen aus. »Ich weiß es nicht«, schluchzte sie. »Ich bin nicht mal lange genug da geblieben, um zu sehen, ob mit Davis alles in Ordnung ist. Ich hab mich einfach umgedreht und bin weggelaufen. Ins Büro, wo diese dicke Alte immer noch gesessen und in ihrer Scheißzeitschrift geblättert hat. Ich hab sie angeschrien, sie soll die Polizei rufen und dass jemand auf Davis geschossen hätte. Aber die fette Schlampe hat nur gesagt: ›Ich will hier aber kein’ Ärger.‹«, stieß Lisa Arnold hervor, wobei sie die Stimme der Motelbesitzerin imitierte. »Ich hab zu ihr gesagt, sie soll ihren beschissenen, fetten A…« Sie wandte abrupt den Kopf und sah in die Kamera, dann wieder zu Ski. »Tut mir leid.«
»Schon gut. Bitte fahren Sie fort.«
»Ich hab zu ihr gesagt, sie soll sofort ihren Hintern ans Telefon schwingen. Aber sie hat nur ihre fetten Arme vor ihrem fetten Wanst verschränkt. Also hab ich mir das Telefon geschnappt und selber angerufen. Erst da hab ich bemerkt, dass ich meine Handtasche fallen gelassen haben muss, als der Typ auf Davis geschossen hat. Deshalb hatte ich mein Handy nicht bei mir.«
»Zwischen Ihrem Anruf und dem Eintreffen des ersten Beamten vergingen nicht mal fünf Minuten«, sagte Ski zu ihr.
»Fünf Minuten?«, rief sie. »Sind Sie ganz sicher? Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor.«
»Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?«
Ihr Kinn begann zu beben, und ihre Züge verzerrten sich. »Ich hätte zurückgehen und nach ihm sehen sollen«, schluchzte sie in das Papiertaschentuch. »Aber ich hatte solche Angst. Ich wusste nicht, wo dieser Irre ist und was er tut. Ich hatte Angst, er knallt mich gleich als Nächstes ab. Deshalb hab ich mich hinter den Tresen der Rezeption gehockt. Die fette alte Schlampe hat mich die ganze Zeit angeplärrt, sie würde mich umbringen, wenn die ihr wegen mir den Laden dichtmachen. Ich hab sie angeschrien, sie solle endlich ihre verdammte Scheißklappe halten, aber sie hat die ganze Zeit auf mir rumgehackt, bis die Polizei kam.«
»Und Sie haben den Mann nicht wieder gesehen?«
»Nein.«
»Was ist mit seinem Wagen? Haben Sie gesehen, in welche Richtung er gefahren ist?«
»Nein.« Sie wischte sich die Tränen ab und holte zitternd Luft, um sich zu beruhigen. »Ich glaube, alles andere wissen Sie sowieso schon.«
»Können wir jetzt gehen?«, schaltete sich die Stiefmutter ein.
Ski warf ihr einen vernichtenden Blick zu, ehe er sich wieder an Lisa wandte. »Danke, Ms Arnold.«
»Danken Sie nicht mir. Ich hab ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich Davis hängen gelassen hab.«
»Natürlich müssen wir die offizielle Untersuchung des Gerichtsmediziners abwarten, aber ich habe schon eine Menge Schusswunden in meinem Leben
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