Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
fünf.«
Wieder stöhnte Berry. Nach dem Gespräch mit ihrer Mutter war sie viel zu aufgewühlt gewesen, um Schlaf zu finden. Von schweren Selbstvorwürfen gequält, hatte sie sich stundenlang im Bett herumgeworfen, bis sie schließlich ein rezeptfreies Schlafmittel eingenommen hatte, um ein wenig Ruhe zu finden. Deshalb war sie, nach nicht einmal drei Stunden Schlaf, völlig benebelt, und ihre Augen fühlten sich an, als hätte sie Sandpapier unter den Lidern.
Doch Carolines eindringlicher Tonfall ließ sie hochfahren. »Steh auf und zieh dich an. Dodge hat gerade angerufen. Er meinte, wir sollen sofort kommen.«
Berry warf die Decke zurück. »Wohin denn?«
»Ins Büro des Sheriffs.«
»Haben sie Oren geschnappt?«
»Dodge sagte, er würde uns später alles erklären.« Caroline war bereits auf dem Weg hinaus. »Wir sehen uns gleich unten.«
Berry zog eine alte Jeans und ein T-Shirt über, putzte sich die Zähne und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Nicht einmal fünf Minuten später trat sie zu ihrer Mutter, die bereits an der Hintertür auf sie wartete. Caroline schaltete die Alarmanlage ein und erklärte Berry, dass sie mit ihrem Wagen fahren würden.
Ein Deputy Sheriff stand vor dem Gerichtsgebäude und schien sie zu erwarten. Er dirigierte Caroline zu einem reservierten Parkplatz und berührte flüchtig die Krempe seiner Mütze, als sie ausstiegen.
»Ladys. Ich bin Deputy Stevens. Ski hat mich gebeten, Sie nach oben zu begleiten.«
Er führte sie zu einem Eingang im Erdgeschoss, der den Mitarbeitern der Behörde vorbehalten war, und gab den Sicherheitscode ein, worauf sich die Tür mit einem lauten metallischen Klicken öffnete. Er ließ die beiden Frauen eintreten, ging voran zum Aufzug und fuhr mit ihnen in den dritten Stock.
Die Aufzugtüren glitten auf und gaben den Blick auf den Einsatzraum frei. Als Erstes sahen sie Dodge, der sie allem Anschein nach ebenfalls bereits erwartet hatte.
Er kam ohne Umschweife zur Sache. »Ich habe Sie nur ungern aus dem Schlaf gerissen, aber Ski war der Ansicht, Sie sollten Bescheid wissen. Er dachte«, sagte er an Berry gewandt, »Sie könnten vielleicht helfen.«
»Helfen? Wobei denn?«
Dodge starrte sie finster an. »Oren Starks hat einen Jugendlichen erschossen.«
12
N och bevor Caroline und Berry Gelegenheit hatten, Dodges Worte sacken zu lassen, hörten sie ein lautes, verzweifeltes Schluchzen. Auf einer Bank an der Wand saß ein Paar mittleren Alters. Vor ihnen kauerte ein etwas jüngerer Mann mit einem Priesterkragen, der die Arme um sie gelegt hatte und leise auf sie einredete.
»Das sind Mr und Mrs Coldare«, sagte Dodge mit respektvoll gesenkter Stimme, in der jedoch mühsam unterdrückte Wut mitschwang. »Ihr sechzehnjähriger Sohn und einziges Kind wurde vor wenigen Stunden erschossen. Von Oren Starks.«
Eine Woge der Übelkeit stieg in Berry auf. Sie schwankte. Dodge nahm ihren Arm. »Hey, schön stehen bleiben.«
»Setz dich«, sagte ihre Mutter.
Berry warf einen Blick auf die verzweifelten Eltern und schüttelte beharrlich den Kopf. »Geht gleich wieder. Diese Menschen da drüben haben heute Nacht ihr Kind verloren.«
In diesem Augenblick trat Ski aus einem Büro am anderen Ende des Raums. Sein Blick heftete sich auf Berry und ließ sie nicht mehr los, während er sich einen Weg durch das Gewirr aus Schreibtischen bahnte. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte er, als er vor ihr stehen blieb.
»Weswegen?«
»Weil ich Sie nicht so ernst genommen habe, wie ich es hätte tun sollen. Ich dachte, Sie übertreiben, was Starks und seine Drohungen angeht. Aber das war falsch. Es tut mir leid.«
Berry spürte, wie ihre Gefühle sie zu überwältigen drohten. Doch damit würde sie sich später auseinandersetzen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
»Jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie hergekommen sind. Ich dachte, wenn Sie sich vielleicht anhören, was das Mädchen aussagt …«
»Das Mädchen?«
»Ich hatte noch keine Zeit, ihnen die Details zu erklären«, sagte Dodge.
Ski nickte knapp. »Ein junges Mädchen war bei Davis Coldare, als er erschossen wurde. Es geht ihr gut. Sie ist ein bisschen wacklig auf den Beinen, ansonsten aber unverletzt. Sie hat Starks anhand einer Reihe von Fotos identifiziert. Es besteht keinerlei Zweifel, sagt sie.«
»Er ist schon wieder entwischt?«
»Der Junge fiel direkt vor ihren Füßen tot um. Sie rannte um ihr Leben und rief vom Büro des Motels aus die
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