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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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war eigenartig entspannend. Es war ihm gar nicht so klar gewesen, aber, bei Gott, er war wirklich ein wenig müde.
    Mann, dachte er, ich könnt ein kleines Nickerchen machen.
    »Hank!« Eine Stimme aus der Ferne. Bloß ein kleines Schläfchen. Das wäre wirklich klasse. »Hank!« MeChelles Stimme erreichte endlich sein Hirn. »Hank?«
    Er richtete sich auf. Okay, gar nicht gut. Der Blutverlust machte ihm letztlich doch zu schaffen. Er hatte das Feuer und den Schusswechsel mit Hilfe des Adrenalins überstanden. Aber jetzt versagte das Adrenalin, und er klappte zusammen.
    »Ja?«, rief Gooch.
    »Ich kann ihn hören. Er kommt gleich raus.«
    Ja, dachte Gooch. Das ist wahrscheinlich sein Plan.
    »Hast du immer noch diesen Redneck-Zahnstocher?«, rief sie.
    Gute Idee. Sein Klappmesser. Hatte er immer in der Tasche. Er zog es heraus, drückte auf den Kopf und fühlte, wie die Klinge herausschnappte. Er stemmte sich an der Wand hoch, spürte sie über seinen Rücken reiben.
    Sein Sichtfeld wurde grau, und ihm war schwindelig. Aber dann wurde es besser.
    »Der Boden zwischen uns!«, rief MeChelle. »Ist da was?«
    Gooch schaute hin. Unkraut, sonst nichts. Er wusste, was sie vorhatte. Tapferes Mädchen. Verdammt. Sie war wirklich klasse. Er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Das Ganze würde wahrscheinlich böse ausgehen. Er sollte ihr sagen, was er dachte.
    »Er kommt!«, rief sie.
    Gooch hörte ihn ebenfalls. Es klang, als wäre er am Ende eines Tunnels. Aber er konnte hören, dass Priest jetzt etwas vorhatte. Er rannte nicht. Er kam im weiten Bogen an, so weit weg wie möglich, damit er seine größere Feuerkraft nutzen konnte, um Gooch auszuschalten. Er kümmerte sich nicht weiter um MeChelle. Wenn er Gooch erst mal erledigt hatte, wäre es nicht schwierig, MeChelle zu erwischen. Wie ein Goldfisch im Aquarium. Gooch war klar, dass er Priest ablenken musste. Vielleicht konnte er dann wenigstens MeChelle retten.
    Er trat hinter der Wand hervor und zielte mit seiner Pistole auf Priest.
    Priest schwang sein Gewehr in Gooch’ Richtung. Gooch duckte sich wieder in die Deckung, während das Gewehr zweimal donnerte. Noch fünf, sechs Meter, dann war Priest um die Ecke, und Gooch würde seine Deckung verlieren. Ohne Pistole und mit seinem kaputten Knöchel wäre er dann am Arsch.
    Drüben, neben dem anderen Haus, hatte MeChelle den Kopf zur Seite gelegt. Es sah aus, als lausche sie aufmerksam.
    Gooch fasste das Messer anders. Er würde Priest nicht erreichen, bevor der ein- oder zweimal geschossen hätte. Aber vielleicht konnte er mit dem Messer werfen und ihn erwischen. Gooch hatte im letzten Jahr an der Highschool bei der Single A State Championship mitgemacht und über die Jahre immer wieder mal Messerwerfen geübt. Wie viele kaputte Klingen hatte er in der Wand seiner Scheune stecken? Eine Menge.
    Es war einen Versuch wert.
    Priests leise Schritte kamen näher; einer, zwei, dann ein dritter.
    »Jetzt!«, rief Gooch.
    Er warf sich nach vorn, rollte ab, kam auf die Füße. Es war in etwa das Schmerzhafteste, was er im Leben je getan hatte. Aber was blieb ihm übrig? Priest schoss, die leeren Hülsen flogen seitlich aus seinem Gewehr heraus.
    Gooch winkelte den Arm an und warf das Messer. Kaum hatte es seine Hand verlassen, konnte er es spüren. Es war wie vor all den Jahren, wenn er wusste, dass er einen Treffer verbuchen konnte. Er hätte die Augen schließen können und dennoch genau gewusst, wo es landete. Tief und gerade noch am Rand des Ziels.
    Das Messer knallte mit einem soliden Rumms in Priests Oberkörper.
    »Was zum …«
    Einen Augenblick lang starrte Priest nur nach unten. Das Messer steckte genau in der Mitte seiner Brust. Direkt im Brustbein. Es war vielleicht zwei oder drei Zentimeter tief eingedrungen. Tat vermutlich verdammt weh. Reichte aber nicht, um ihn zu stoppen.
    Aber während Priest für einen Augenblick durch das Messer in seiner Brust abgelenkt war, stürzte MeChelle mit einem ohrenbetäubenden Schrei vorwärts, den Ziegel erhoben. Priests Mund stand wütend offen.
    Tolles Mädchen, dachte Gooch. Wenn du schon dran glauben musst, dann in vollem Tempo.
    Wieder wollte Gooch ihr etwas zurufen. Aber er konnte sich nicht rühren. Alle seine Muskeln fühlten sich nutzlos und schlaff an. Der Wurf gerade eben hatte das letzte bisschen Energie aus seinem Körper gesaugt. Er sank auf die Knie.
    Priest hörte den Schrei und begann sich umzuwenden. Er sah, wie das weiße Ding auf ihn zukam und versuchte,

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