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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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tun?«, fragte Gooch. »Ich bin nicht sicher, je eine Nonne kennengelernt zu haben.«
    »Ich schnitze Jesusfiguren«, sagte sie. »Ich fälle die Bäume, ich trockne das Holz, ich schnitze die Figuren, alles von Anfang bis Ende. Keine Werkzeuge, gar nichts. Nur ich und meine Hände und ein paar davon.« Sie hob die Axt. »Ich verkaufe sie im Internet. Sistergracewadell.com. Sie sind sehr beliebt in Lateinamerika. Manche Leute glauben, sie heilen Krankheiten.« Sie zuckte ein wenig zynisch mit den Achseln. »Also, worum geht es, Detective?«
    »Nathan Morris. Seine Mutter wurde vor achtzehn Jahren ermordet. Er hat gesagt, Sie wären seine Freundin gewesen.«
    Schwester Grace schüttelte wütend den Kopf. »Nathan Morris. Gott, ich weiß nicht, ob Freundin das richtige Wort ist. Sehen Sie, der Grund, dass ich hier bin, ist – wie ich schon sagte –, ich bin nicht besonders gut darin, in der Welt klarzukommen. Hier drinnen bin ich ein produktives Mitglied der Gesellschaft. Aber dort draußen?« Sie deutete mit ihrer Zigarette in Richtung des Zauns, der das Klostergelände abgrenzte. »Dort draußen bin ich das, was man als Schlampe bezeichnen würde. Ich nutze Männer aus, ich kassiere ab, ich schmeiße mir alle Drogen ein, die ich kriegen kann. Erinnerungen an Arschlöcher wie Nathan Morris bewegen mich dazu, hier drinnen zu bleiben.«
    »Waren Sie nun seine Freundin, oder nicht?«
    »Ich war sein Sexspielzeug.« Schwester Grace wandte sich der alten Dame zu. »Können Sie alles gut hören, Schwester?«
    Schwester Albert-Joseph starrte zurück.
    »Das Einzige, was ich noch mehr hasse als diesen Laden, ist so zu sein, wie ich es dort draußen war.«
    »Kehren wir noch einmal zu Nathan Morris zurück. Er sagt, Sie könnten ihm für die Mordnacht ein Alibi geben.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Sie glauben, Nathan hätte seine Mom getötet?«
    »Wir untersuchen diese Möglichkeit.«
    »Das ist nicht wirklich Nathans Stil. Er ist ein Lügner, ein Betrüger, ein Schieber, an Trickser, ein Dieb, ein Manipulator … mir fallen nicht genug Worte ein, aber ein Mörder? Nein, das sehe ich nicht.«
    »Waren Sie in jener Nacht bei ihm? Er sagt, Sie waren.«
    Sie drückte ihre Zigarette am Baum aus und steckte die Kippe in die Tasche. »Dann war ich es wahrscheinlich.«
    »Das ist keine Antwort, die mich weiterbringt.«
    »Hören Sie, damals war ich meistens besoffen. Ich kannte mich nicht so besonders aus mit Daten und Uhrzeiten.« Sie schaute minutenlang himmelwärts, dachte zurück. »Aber ich kann mich erinnern, dass ein Bulle mich auf die Wache bestellt hat und meine Aussage aufnahm.«
    »King?«
    »Hieß er so? So ein Schnellredner. Hat seine Hand absichtlich versehentlich auf meinen Arsch gepackt.« Sie guckte nachdenklich. »Ich kann mich jetzt erinnern. Er hat versucht, mir einzureden, dass ich log, wo Nathan in der Nacht gewesen war. Nein, wissen Sie was, es ist ganz lustig. Damals habe ich bei allem gelogen. Aber das war einer dieser seltenen sonnenklaren Augenblicke, in denen ich tatsächlich die Wahrheit sagte. Ich weiß noch, dass ich total sauer auf diesen Typen war, diesen Detective. Ich war, irgendwie: ›Hey, ich lüge andauernd, und jetzt sage ich mal die Wahrheit und du willst mir deswegen Ärger machen.‹ Ich hatte das Gefühl, ich hätte einen Orden verdient, verstehen Sie. So habe ich da draußen gedacht. So krank war ich im Kopf.«
    »Erzählen Sie es mir ganz genau.«
    »Also, Nathan sollte eigentlich zur Uni. Aber er ging nicht wirklich zur Uni. Er hatte da diesen Treuhänderfonds. Um jeden Monat einen Scheck zu kriegen, musste er an der Uni bleiben. Also zog er eine Geschichte durch, damit es so aussah, als wäre er an der Uni. Er war ein kluger Kerl. Er hätte auch gut an die Uni gehen können. Er hatte einfach bloß keine Lust dazu. Wie auch immer. Er hatte einen Kumpel an der Georgia Tech. Die hatten diese Sache am Laufen. Nathan gab dem Typen Meth und der Typ gab Nathan seine Mitschriften, und dann texteten sie die ein bisschen um und schickten sie irgendeinem Typen, einem Anwalt, der sich um den Treuhänderfonds kümmerte. Ich weiß noch, dass wir an diesem Abend rüber in das Wohnheimzimmer dieses Typen sind, und Nathan kriegte die Mitschriften, und dann saßen wir in dem Zimmer und soffen, während der Kerl die Mitschriften in seinen Computer einscannte. Dann hat er sie digital bearbeitet. Als er fertig war, sah es aus, als wäre Nathan ein 3,7-Student in Maschinenbau.«
    »Und Sie waren die

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