Blindes Grauen
ganze Nacht dort?«
»Ja, wir haben auch ein paar Lines Meth genommen, wo wir schon dabei waren. Sind die ganze Nacht aufgeblieben. Wir haben das Wohnheimzimmer nie verlassen.«
»Sie scheinen ziemlich sicher zu sein.«
»Hören Sie, das ist achtzehn Jahre her. Aber damals, ja, ich kann mich erinnern, dass ich damals total sicher war.«
»Wie war Nathans Beziehung zu seiner Mutter? Hat er jemals negative Gefühle ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht?«
Schwester Grace lachte. »Er war neunzehn. Haben Sie schon mal von einem Neunzehnjährigen gehört, der nichts Schlechtes über seine Mutter zu sagen hat?«
»Aber gegen die meisten Jugendlichen werden keine einstweiligen Verfügungen erlassen.«
Schwester Grace zuckte mit den Achseln. »Nathan hat gesagt, ihr Anwalt hätte sie dazu gebracht. Der Anwalt, der den Fonds verwaltete, war überzeugt, dass Nathan am Ende sein Geld einklagen würde, dass er nur auf die Kohle scharf war. Also versuchte er, Nathan schlecht dastehen zu lassen, um das Geld für den Prozess zu sparen. So hat Nathan es jedenfalls erklärt.«
»Wissen Sie etwas über den Zwischenfall, der zu der einstweiligen Verfügung führte?«
»Sie hat ihn bei sich zu Hause rausgeworfen, nachdem er die Schule geschmissen hatte. Sie hat gesagt: ›Such dir einen Job oder geh zur Schule. Aber ich lass dich nicht den ganzen Tag zu Hause rumsitzen und Fernsehen gucken.‹ Das kann man ihr nicht mal vorwerfen. Schließlich musste sie ihm seinen Schlüssel zu ihrem Haus wegnehmen. Also hat sich Nathan eine Wohnung gesucht und ist ausgezogen. Eines Nachts ist er zurück nach Hause gegangen, um sich ein paar Sachen zu holen, die er dort gelassen hatte. Sie war nicht in der Stadt oder so, jedenfalls ist er eingebrochen, um sein Zeug zu holen. Er hat ein Fenster eingeschlagen und eine ziemlich teure Vase oder so umgeschmissen, als er ins Haus kletterte. Typisch Teenager. Sie war natürlich sauer. Aber ich glaube, sie hätte keine einstweilige Verfügung gegen ihn beantragt, wenn da nicht dieser Anwalt gewesen wäre.« Sie lächelte traurig. »Seine Mom war eine richtig nette Frau. Das war Teil seines Problems, sie war so freundlich und locker, dass sie es nicht übers Herz brachte, streng zu ihm zu sein.«
»Was war mit seinem Vater?«
Grace’ Lächeln verschwand. »Sein Vater hat ihn niemals anerkannt, soweit ich weiß. Ich meine, bei Gott, ich weiß nicht einmal, ob die Geschichte stimmt. Nathan hat immer gesagt, sein Großvater wäre in Wahrheit sein Vater, er hätte seine Mutter missbraucht und so. Aber wenn man Nathan kennt, kann das auch totale Scheiße sein.«
Die ältere Nonne räusperte sich.
»Ja, Schwester, ich weiß, dass Sie zuhören«, sagte Schwester Grace. »Ich werd ein extra Ave Maria heute Abend beten, für jedes Mal, das ich ›Scheiße‹ sage. Sind Sie jetzt zufrieden? Scheiße. Da. Noch ein Ave Maria. Scheiße. Noch eins.«
Schwester Albert-Joseph wurde unzufriedener. Aber dann sah sie einfach weg, als hätte sie nichts gehört.
»Nathan ist der Großvater des selbstgerechten Superscheißes«, sagte Schwester Grace. »Nichts ist jemals seine eigene Schuld.«
»Und was glauben Sie, wer es war?«
Schwester Grace schüttelte den Kopf. »Nathan hat immer gesagt, es wäre der Bulle gewesen, King, der sie umgebracht hätte.«
»Er behauptet, King hätte eine Beziehung zu seiner Mutter gehabt.«
»Ja, das hat er mir auch gesagt. Ich weiß, dass King sie kannte. Aber ob sie eine Beziehung hatten? Keine Ahnung.«
»Woher wissen Sie das?«
»Wir sind einmal bei ihr zu Hause vorbeigefahren, und ein ziviler Polizeiwagen kam aus der Auffahrt. Nathan sagte: ›Oh, Mann, da ist wieder dieser Bulle.‹«
»Woher wussten Sie, dass es King war?«
»Ich konnte ihn ziemlich gut sehen. Er hat eine Narbe. Sieht aus wie ein Blitz.«
»Nur wenn er lächelt«, sagte Gooch.
Sie schloss nachdenklich die Augen. »Ja«, sagte sie. »Da haben Sie recht. Sie verschwindet ein bisschen in seinem Gesicht, wenn er nicht lächelt, oder? Ich frage mich, an was er an jenem Tag dachte, dass er so lächelte.« Ihre Augen öffneten sich. »Gibt es nicht eine Regel, dass man den Mord an jemand, den man kennt, nicht untersuchen darf?«
»Yep«, sagte Gooch.
»Hm. Da fragt man sich, wieso er den Fall angenommen hat.«
Gooch sagte nichts.
»Ein Mann vieler Worte, was?«, sagte Schwester Grace. »Sie wären eine gute Nonne.«
»Das werde ich mir merken«, sagte Gooch. »Falls es mit meiner Polizistenkarriere doch
Weitere Kostenlose Bücher