Blindes Vertrauen
erkrankte Kollegin.«
Gray war seit zehn Minuten dabei, Barrie letzte Anweisungen zu geben â seit ihr ehebrüchiger Fahrer seinen Wagen abgestellt hatte, um zur Arbeit zu gehen. Der Wachmann am Tor hatte ihn wie erwartet durchgewinkt, ohne das Wohnmobil zu kontrollieren. Sie waren auf dem Gelände, aber noch nicht im Klinikgebäude.
Gray hatte Sicherheitsausweise mit Lichtbildern und falschen Namen vorbereitet, die sie sich anheften würden. »Wer sie genauer betrachtet, erkennt, daà sie gefälscht sind, aber auf den ersten Blick wirken sie echt.«
»Dolly Madison?« las Barrie stirnrunzelnd vor. »Wo wir
gerade von Dolly reden⦠hoffentlich gehtâs Daily und ihr gut.«
»Er kommt schon zurecht. Denk daran, daà es hier bestimmt massenhaft Ãberwachungskameras gibt â du kannst also beobachtet werden, auch wenn niemand in der Nähe ist. Beweg dich natürlich und â¦Â«
»Zielstrebig. Ich weiÃ, ich weiÃ. Das hast du mir mindestens schon ein dutzendmal gesagt.«
»Ich will nur nicht, daà wir auffliegen, bevor wir Vanessa gefunden haben.«
»Gibtâs im Inneren der Klinik auch Sicherheitspersonal?«
»Das weià ich nicht.«
»Wäre es bewaffnet?«
»Schon möglich. Die Secret-Service-Agenten sind natürlich bewaffnet. Aber mit denen werde ich fertig.«
»Noch etwas. Wie willst du hier rauskommen, wenn wir Vanessa haben?«
»Plan A: Ich schlieÃâ die Zündung dieses Wagens kurz. Unterwegs sitzt du mit Vanessa hier hinten.«
»Und wie sieht Plan B aus?«
»Weià der Teufel.«
»GroÃartig«, murmelte sie. Aber dann öffnete sie die Hecktür des Wohnmobils und stieg als erste aus.
Tabor House war weitläufiger, als Gray es geschildert hatte. Das U-förmige Gebäude, das einen Gartenhof umschloÃ, hatte zwei Stockwerke. Sie mieden das grandiose Hauptportal und machten sich auf den Weg zum seitlichen Personaleingang, den Gray bei seiner ersten Erkundung am Vortag entdeckt hatte. Um diese Zeit war gerade Schichtwechsel. Ãrzte, Pflegepersonal und sonstige Mitarbeiter verlieÃen die Klinik, während andere zur Nachtschicht kamen.
»Ich gehe als erster rein«, sagte Gray, als sie den Personaleingang
vor sich hatten. »Du wartest ein paar Minuten, dann kommst du nach.«
»Wohin?«
Er zuckte mit den Schultern. »Keine Angst, ich finde dich schon.« Er wandte sich ab, drehte sich aber noch einmal um. »Barrie, falls mir etwas zustöÃt, haust du schnellstens ab. Kapiert? Versteck dich im nächsten Auto und laà dich rausfahren, wie wir reingekommen sind. Okay?«
Sie nickte.
»Bloà tust du es nicht, stimmtâs?«
»Stimmt.«
Er runzelte angewidert die Stirn, wandte sich ab und verschwand durch den Personaleingang. Sie bemühte sich, nonchalant zu wirken, während sie ihren Rucksack öffnete und alle Funktionen der Videokamera überprüfte, ohne sie dabei herauszunehmen. Und sie kontrollierte auch, ob eine Kassette eingelegt war. Es hätte ihr ähnlich gesehen, Geschichte zu machen, aber zu vergessen, vorher eine Kassette in ihre Videokamera einzulegen.
Auf dem Weg zum Personaleingang wurde sie von tausend bösen Ahnungen bestürmt. Aber eins war gewiÃ: Wenn sie jetzt kniff, würde Vanessa Merritt in diesem Gebäude sterben. Also hielt sie ihren Blick auf den Halogenstrahler über dem Eingang gerichtet und lieà sich von ihm leiten, wie ein Leuchtturm einen Seemann sicher durch gefährliche Riffe leitet.
Als erstes betrat sie einen Vorraum â vermutlich die ehemalige Stiefelkammer aus der Zeit, als Tabor House noch ein privater Landsitz gewesen war. Dahinter lag ein groÃer, gut eingerichteter und beleuchteter Aufenthaltsraum, der zugleich als Personalkantine diente. Dort gab es mehrere Automaten für Fertiggerichte und Getränke, eine groÃe Kaffeemaschine, einen Eisbereiter, mehrere Mikrowellenherde, Tische, Stühle und
zwei Türen mit Toilettenschildern. An einer Wand stand eine lange Reihe Stahlspinde. Ein Telefonverzeichnis war als Poster vergröÃert worden, so daà es von jeder Stelle im Raum aus lesbar war.
Da der Schichtwechsel fast vorüber war, hatte das Gedränge nachgelassen. Ein Mann, offenbar ein Krankenpfleger, wartete darauf, daà die Mikrowelle sein Essen garte. Eine Krankenschwester stand am Münztelefon. Eine andere kramte
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