Blindes Vertrauen
Fernseher in ihrem Schlafzimmer aus. Sie hatte herumgezappt und dabei in den WVUE-Abendnachrichten zufällig Barrie Travis gesehen. Wie konnte die Reporterin bloà so dämlich sein? Warum hatte sie den Hinweis nicht begriffen? Aber in gewisser Beziehung war Vanessa erleichtert, daà sie so begriffsstutzig war.
Obwohl Vanessa einerseits nicht wollte, daà ihr Geheimnis enthüllt wurde, wuÃte sie andererseits nicht, wie lange sie es noch ertragen würde, es für sich zu behalten. Sie fürchtete, es werde sie so oder so umbringen.
Sie goà sich ein weiteres Glas des verbotenen Weins ein. Zum Teufel mit den Rügen ihres Arztes, ihres Vaters und ihres Ehemanns! Woher wollten sie wissen, was sie brauchte oder nicht brauchte? Sie konnten unmöglich verstehen, was sie durchgemacht hatte. Sie hatten sich gegen sie verbündet. Sie â¦
Der Gedanke entglitt ihr, bevor er zu Ende gebracht war. Das
passierte ihr in letzter Zeit häufig. Sie schien nicht mehr imstande zu sein, einen Gedanken mehr als einige Sekunden zu verfolgen, bevor er ihr entglitt.
Woran hatte sie eben gedacht?
An das Baby. Ja, das tat sie ständig. Aber auch an etwas anderes â¦
Als ihr Blick den Fernseher streifte, erinnerte sie sich wieder. Barrie Travis. Die blöde Kuh. MuÃte man ihr mit einer Dachlatte über den Schädel schlagen, bevor sie etwas kapierte? Warum hatte sie nichts verstanden? Oder hatte sie alles begriffen, hatte aber nicht den Mut, etwas zu unternehmen? War sie dumm oder feige? Das Ergebnis war in beiden Fällen das gleiche. Von ihr war keine Hilfe zu erhoffen.
Vanessa hatte es für eine clevere Idee gehalten, die Reporterin für ihre Zwecke einzuspannen. Sie war darauf gekommen, als sie Barrie vor kurzem bei einer Pressekonferenz auf dem Rasen des WeiÃen Hauses gesehen hatte. War das nicht die Journalistin, die mit einer Story über den »Tod« von Bundesrichter Green baden gegangen war? Hatte sie nicht einmal bei einer Pressekonferenz eine unglaublich dumme Frage gestellt, die spontanes Gelächter provoziert hatte?
Barrie Travisâ geringe Glaubwürdigkeit hätte sie zu einem idealen Werkzeug für Vanessas Plan gemacht, der vorsah, einer verantwortungslosen Reporterin gegenüber einige Andeutungen zu machen, die sie hoffentlich aufgreifen würde, indem sie Fragen stellte, die anfangs verrückt klingen mochten, bis auch einfluÃreiche Kommentatoren sich für sie zu interessieren begannen. Hätte Vanessa diese Andeutungen einem der bekannten groÃen Journalisten gegenüber gemacht, hätte sie sich selbst gefährlich exponiert. So würde die Wahrheit an den Tag kommen, aber eben nicht direkt durch sie.
Das hatte sie jedenfalls gehofft. Aber Barrie Travis war offenbar
eine schlechte Wahl gewesen. Sie war nicht nur rücksichtslos, sie war auch hirnlos.
An wen konnte sie sich noch wenden?
Aus alter Gewohnheit griff Vanessa nach dem Telefonhörer.
»Hi, Daddy.«
»Hallo!« sagte der Senator. »Ich wollte dich später anrufen. Wie gehtâs dir?«
»Gut.«
»Ein ruhiger Abend zu Hause?«
»David hält eine Rede vor irgendeinem GewerkschaftskongreÃ. Wo der stattfindet, habe ich vergessen.«
»Soll ich rüberkommen und dir Gesellschaft leisten?«
»Nein, aber trotzdem vielen Dank.« Wenn ihr Vater bei ihr war, konnte sie kaum etwas trinken.
»Du solltest nicht allein sein, Liebes.«
»David kommt heute abend zurück. Es wird sicher spät, aber er hat mir versprochen, mich zu wecken.«
Nach einer Pause, in der sie sich das besorgte Stirnrunzeln ihres Vaters vorstellen konnte, meinte er: »Du solltest doch mal wieder zu deinem Gynäkologen gehen. Vielleicht kann er dir ein paar Hormone oder so was verschreiben.« Er führte alle weiblichen Beschwerden auf Hormonstörungen zurück.
»Das würde George verletzen.«
»Zum Teufel mit George und seinen Gefühlen!« polterte der Senator. »Hier gehtâs schlieÃlich um deine Gesundheit. George ist ein netter Kerl und vermutlich ein kompetenter Arzt, solange es um Bauchschmerzen und Grippeschutzimpfungen geht. Aber du brauchst einen Spezialisten, Kind. Du brauchst einen Psychiater.«
»Nein, Daddy. Ich habe alles unter Kontrolle.«
»Seit du den kleinen Robert verloren hast, bist du völlig durcheinander.«
Vanessa trank einen Schluck Wein, um die schmerzvollen Reuegefühle zu
Weitere Kostenlose Bücher