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Blindes Vertrauen

Blindes Vertrauen

Titel: Blindes Vertrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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»Aber du klingst schrecklich defensiv.«
    Â»Ich mache mir Sorgen wegen meiner Story.«
    Â»Du verfolgst sie also weiter?«
    Â»Selbstverständlich. Seit wann wird der Arbeitgeber einer kleinen Reporterin vom FBI mit einem Besuch beehrt? Je mehr Türen mir vor der Nase zugeknallt werden, desto überzeugter bin ich, daß irgend jemand etwas zu verheimlichen hat.«
    Â»Wann kommst du zurück?«
    Â»Morgen. Ich nehme die Spur in Washington wieder auf. Irgendwelche Neuigkeiten über Vanessa?«
    Â»Immer noch dasselbe.«
    Â»Ich rufe dich morgen abend an, sobald ich heimkomme. Und was ist mit dir? Geht’s dir gut?«
    Â»Ausgezeichnet«, behauptete er. »Barrie? Wenn du auf eine wirklich häßliche Sache gestoßen bist… Nun, sieh dich jedenfalls vor. Okay?«
    Seine Besorgnis rührte sie, und sie bekam Sehnsucht nach ihm. Nachdem sie aufgelegt hatte, blieb ihre Hand auf dem Hörer liegen, als fiele es ihr schwer, den Kontakt abreißen zu lassen. Daily war für sie wie ein Angehöriger, ein Freund, der ihr vertrauter war, als es ihre Eltern je gewesen waren.

    Sie schlich müde ins Bad und begann sich auszuziehen. Der Spiegel über dem Waschbecken war nicht freundlicher als der über dem Toilettentisch. Sie sah gräßlich aus. Die Überreste ihres Make-ups waren sechsunddreißig Stunden alt. Es verklebte die feinen Falten um ihre Augen, die sich von Tag zu Tag tiefer einzugraben schienen. Sie war dreiunddreißig. Wie würde sie mit dreiundvierzig aussehen? Mit dreiundfünfzig? Dafür fehlte ihr die Vergleichsbasis. So alt war ihre Mutter nicht geworden.
    Barrie zog den Duschvorhang auf und drehte das Wasser an. Sie stieß einen Schrei aus, als die Wasserstrahlen ihren Oberkörper trafen, und blickte an sich herab, um festzustellen, was so brannte. An ihren Brüsten entdeckte sie leichte rosa Hautabschürfungen. Spuren eines stoppelbärtigen Kinns.
    Gott, was hatte sie nur getan?
    Sie hielt ihren Kopf unter die Düse und wünschte sich, die harten Wasserstrahlen könnten ihre Erinnerungen an Gray Bondurant herauswaschen. Nackt war er schlank und hart und geschmeidig. Sein Körper besaß nicht die glatte Vollkommenheit der Jugend. Die Zeit hatte ihre Spuren auf ihm hinterlassen. Aber die Ecken und Kanten machten ihn nur noch attraktiver, genau wie seine ergrauenden Schläfen und die Falten um seine Augen sein Gesicht interessanter machten.
    Sie brauchte Erholung, sagte Barrie sich, während sie ihr Haar einschäumte. Wenn sie übermüdet und im Streß war, reagierte sie immer sehr empfindlich und geriet gefährlich leicht ins Grübeln. Erst hatte sie über Daily nachgedacht. Dann über ihre Eltern. Und jetzt über einen großen, langgliedrigen Mann mit laserblauen Augen und einem grausamen Mund.
    Hat Ihr Daddy Sie nicht geliebt?
    Nein, Mr. Bondurant, das hat er nicht getan. Meine Mutter hat er auch nicht geliebt.

    Hätte er sie sonst immer wieder betrogen? Warum hatte er als Familienvater gewohnheitsmäßig die Ehe gebrochen? Warum hatte er gelogen, die Anschuldigungen ihrer Mutter zurückgewiesen und sie in die lautstarken Auseinandersetzungen verwickelt, die Barries Nächte mit Elend und Entsetzen erfüllt hatten? Warum hatte er seine Familie weiter mit seinen Affären gequält, bis er in einem Hotel in Las Vegas einem Herzschlag erlegen war, während die Geliebte des Monats ihm die Lenden mit Liebesgel mit Kokosnußgeschmack gesalbt hatte? Er war nicht einmal rücksichtsvoll genug gewesen, auf anständige Weise tot umzufallen.
    Und was hatte Barries dämliche, dumme Mutter getan? Hatte sie ihm jemals vorgeworfen, sein Eheversprechen gebrochen zu haben? Hatte sie ihn beschimpft, weil er seine Tochter ignorierte und vor lauter Rumbumserei nicht dazu kam, ihre Entwicklung vom Kind zum jungen Mädchen wahrzunehmen? Hatte sie geflucht und geschimpft, weil er der kälteste, unaufmerksamste Vater war, den man sich vorstellen konnte? Hatte sie wenigstens nach seinem Tod allen erzählt, was für ein Scheißkerl er war?
    Nein. Sie hatte ihn mit großem Pomp bestatten lassen, war dann heimgefahren und hatte Schlaftabletten geschluckt, weil sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte.
    Eine Woche, zwei Beerdigungen.
    Ja, Mr. Bondurant, Sie haben einen wunden Punkt getroffen.
    Barrie trat aus der Dusche und griff nach einem Badetuch. Sie hatte die Bücher

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