Blindlings
»Wohin?« »Richtung Laugarvatn.«
Langsam fuhr ich aus Geysir heraus. Der Pistolenlauf war zwar nicht mehr zu spüren, aber ich wußte, daß er nicht weit von meinem Nacken entfernt war. Außerdem kannte ich Kennikin zu gut, um irgendwelche Befreiungsversuche zu unternehmen. Offenbar war er auf leichte Unterhaltung eingestellt. »Sie haben uns eine Menge Scherereien gemacht, Alan - aber über einen Punkt können Sie mich aufklären, der ist mir noch unklar. Was ist eigentlich aus Tadeusz geworden?«
»Wer zum Teufel ist Tadeusz?« »Er sollte Sie in Keflavik aufhalten.« »So, das war also Tadeusz – bei mir hat er sich als Lindholm eingeführt. Tadeusz - das klingt irgendwie polnisch.«
»Er ist Russe. Seine Mutter ist, glaube ich, Polin.« »Er wird ihr fehlen«, erwiderte ich kurz angebunden. »Ah so.« Er schwieg eine Weile. Dann fuhr er fort: »Dem armen Yuri ist heute früh das Bein amputiert worden.« »Der arme Yuri hätte sich was Besseres einfallen lassen sollen, als mit einer Erbsenkanone auf einen Mann mit Gewehr loszugehen.«
»Aber Yuri konnte nicht wissen, daß Sie eins hatten«, entgegnete Kennikin. »Jedenfalls nicht dieses Gewehr. Es war ein ziemlicher Schock.« Er schnalzte mit der Zunge. »Meinen Jeep hätten Sie auch nicht gerade so zurichten müssen. Das war wirklich nicht nett.« Nicht dieses Gewehr! Ein Gewehr hatte er schon erwartet, aber nicht das Prachtstück, das ich Fleet weggenommen hatte. Das war interessant, denn das einzige Gewehr, das ich besaß, war das von Philips. Wie hatte er das erfahren? Doch nur von Cooke. Wieder ein Beweis für meine Theorie.
»War der Motor kaputt?« fragte ich. »Die Batterie war durchschossen. Und der Kühler war hin. Außerdem haben wir das ganze Wasser verloren. Das muß ja ein tolles Gewehr sein.«
»Ja. Und ich hoffe, ich werde es bald wieder gebrauchen.«
Er lachte leise. »Das bezweifle ich. Diese kleine Episode war sehr peinlich. Ich mußte mir den Mund fusselig reden, um mich da herauszuwinden. Zwei neugierige Isländer stellten eine Menge Fragen, die ich keinesfalls beantworten wollte. Zum Beispiel, wieso das Floß festgekettet worden war und was mit dem Jeep passiert sei. Und dann war da noch das Problem, Yuri dazu zu bringen, sich still zu verhalten.«
»Es muß äußerst unangenehm gewesen sein«, pflichtete ich bei. Kennikin fuhr fort: »Und jetzt haben Sie uns schon wieder Ärger gemacht. Dazu noch in aller Öffentlichkeit. Was ist dort hinten eigentlich tatsächlich vorgefallen?«
»Einer Ihrer Knaben hat sich in Suppenfleisch verwandelt«, erklärte ich. »Er ging zu nahe an einen Geysir heran.«
»Sehen Sie, was ich meine«, fauchte Kennikin. »Untaugliche Trottel, alle miteinander. Man sollte meinen, bei drei gegen einen hätten sie gute Chancen gehabt, was? Aber nein – sie pfuschen.«
Das Verhältnis war drei zu zwei gewesen. Aber was war aus Jack Case geworden? Er hatte keinen Finger gerührt, um mir zu helfen. Ich rief mir ins Gedächtnis, wie er mit Cooke redete.
Zorn stieg in mir hoch. Jedesmal, wenn ich mich an jemanden gewandt hatte, dem ich glaubte vertrauen zu können, war ich verraten worden. Diese Erkenntnis brannte wie giftige Säure in mir. Buchner/Graham/Philips konnte ich verstehen. Er hatte zum Department gehört und war von Cooke hereingelegt worden. Aber Case wußte Bescheid - ich hatte ihm von meinem Verdacht gegen Cooke erzählt –, und er hatte nicht das geringste unternommen, um mir beizustehen, als ich von Kennikins Leuten angegriffen wurde. Und zehn Minuten später hatte er freundschaftlich mit Cooke geplaudert. Es war, als ob das gesamte Department bereits infiltriert sei. Taggart ausgenommen, war Case der letzte Mensch, den ich als Überläufer verdächtigt hätte. Bitter überlegte ich, daß vielleicht sogar Taggart selbst auf Moskaus Lohnliste stand. Das hätte das Bild hübsch abgerundet. Kennikin unterbrach meine Überlegungen.
»Ich bin froh, daß ich Sie nicht unterschätzt habe, ich dachte mir schon, daß Sie diesen Idioten entwischen würden, die man mir da aufgehalst hat. Deshalb habe ich Ihren Wagen beschattet. Ein bißchen Vorsicht zahlt sich immer aus, finden Sie nicht auch?« »Wohin fahren wir?«
»Das brauchen Sie nicht so genau zu wissen«, antwortete er.
»Konzentrieren Sie sich einfach aufs Fahren. Und seien Sie vorsichtig, wenn Sie Laugarvatn durchqueren. Achten Sie auf die Geschwindigkeitsbegrenzungen, und ziehen Sie keinerlei Aufmerksamkeit auf sich. Fangen Sie zum
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