Blindlings
ins Kreuz gerammt hätte. Aber Cooke war nicht mehr der Allerjüngste, und sein Bauch war wesentlich dicker.
Er lag da, den Kopf auf der Seite, und die rechte Wange gegen den Teppich gepreßt. Sein linkes Auge starrte mich böse an. Dann machte er zum erstenmal den Mund auf. »Woher wollen Sie denn wissen, daß ich heute nachmittag keinen Besuch kriege?«
»Sie haben allen Grund, das zu befürchten«, knurrte ich.
»Wenn jemand durch diese Tür kommt, sind Sie tot.« Ich lächelte ihm zu. »Ein Jammer, wenn es das Zimmermädchen wäre, denn dann müßten Sie ganz überflüssigerweise ins Gras beißen.«
»Was zum Teufel tun Sie da eigentlich, Stewart?«
schnauzte er mich an. »Sind Sie übergeschnappt?
Höchstwahrscheinlich sind Sie’s – das habe ich auch Taggart gesagt, und er war ganz meiner Meinung. Stecken Sie die Pistole weg und lassen Sie mich aufstehen.« »Sie versuchen es wirklich mit allen Mitteln«, bewunderte ich ihn. Aber wenn Sie auch nur einen Muskel rühren und versuchen aufzustehen, erschieße ich Sie.« Sein eines Auge zuckte nervös. »Das wird Sie Kopf und Kragen kosten, Stewart; Landesverrat ist nach wie vor ein Kapitalverbrechen.«
»Wie schade. Zumindest werden Sie nicht hängen, denn was Sie betreiben, ist kein Landesverrat – nur Spionage. Ich glaube nicht, daß Spione gehängt werden, wenigstens nicht in Friedenszeiten. Wenn Sie Engländer wären, wäre es Landesverrat. Aber Sie sind ja Russe.« »Sie sind wirklich total verrückt«, entgegnete er angewidert. »Ich - ein Russe!«
»Sie sind ebenso Engländer wie Gordon Lonsdale Kanadier war.«
»Warten Sie, bis Taggart Sie zu fassen kriegt. Er wird Sie durch die Mangel drehen.«
»Wieso haben Sie so intimen Umgang mit dem Gegner, Cooke?« fragte ich.
Er brachte tatsächlich genügend künstliche Entrüstung auf, um zornig herauszuplatzen: »Verdammt, das ist schließlich mein Job. Sie haben seinerzeit dasselbe getan - Sie waren Kennikins rechte Hand. Ich befolge nur Anweisungen. Was mehr ist, als man von Ihnen behaupten kann.«
»Das ist ja hochinteressant. Ihre Anweisungen sind sehr eigenartig. Erzählen Sie mir mehr darüber.« »Ich werde einem Verräter ganz bestimmt nichts sagen«, erklärte er tugendhaft.
Ich muß gestehen, daß ich Cooke in diesem Augenblick zum erstenmal bewunderte. Da lag er nun in einer äußerst würdelosen Stellung, hatte einen Pistolenlauf an der Schläfe; aber er gab nicht auf und war bereit, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Damals in Schweden war ich in der gleichen Lage gewesen, als ich mich an Kennikin heranmachte, und wußte, was für ein nervenaufreibendes Dasein das war. Nie war man sicher, ob nicht am nächsten Tag alles aufflog. Da lag er also und versuchte, mich zu überzeugen, daß er so unschuldig war wie ein neugeborenes Lamm. Wenn ich ihn auch nur den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen ließ und er die Oberhand gewann, so wäre ich im selben Augenblick auch schon eine Leiche gewesen. Ich verstärkte den Druck des Pistolenlaufs.
»Lassen Sie den Quatsch, Cooke, ich war Zeuge, wie Sie Ilyich die Order gaben, mich umzubringen. Behaupten Sie bloß nicht, Taggart habe das angeordnet.« »Doch«, widersprach er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Er ist überzeugt, daß Sie übergelaufen sind. So wie Sie sich benehmen, kann ich es ihm nicht verdenken.« Diese Unverschämtheit brachte mich beinahe zum Lachen. »Herrgott, Sie sind eine Wucht. Da liegen Sie nun auf Ihrem fetten Bauch und erzählen mir so was.
Vermutlich hat Taggart Ihnen die Anweisung gegeben, Sie sollen die Iwans die Arbeit für ihn erledigen lassen.« Cookes Wange verzog sich zu einem Lächeln. »So was ist früher auch schon passiert. Sie haben Jimmy Birkby umgebracht.«
Unwillkürlich spannte sich mein Finger am Abzug, und ich mußte einmal tief Luft holen, bevor ich mich gefaßt hatte. Ich versuchte, möglichst gelassen zu klingen: »Nie waren Sie dem Tod näher, Cooke. Birkby hätten Sie nicht erwähnen sollen.
Das ist ein wunder Punkt. Hören wir mit der Komödie auf. Sie sind erledigt, das wissen Sie ganz genau. Sie werden mir eine Menge Dinge mitteilen, an denen ich interessiert bin, und zwar schnell. Los, reden Sie!«
»Zum Teufel mit Ihnen«, fluchte er. Jetzt war es an mir zu explodieren: »Eins will ich Ihnen mal sagen, mir persönlich ist es scheißegal, ob Sie Engländer oder Russe, Landesverräter oder Spion sind. Patriotismus spielt für mich keine Rolle, das habe ich hinter mir. Dies ist eine
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