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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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ergriffen hatte, mit dem er ziemlich geschickt hantierte.
    Seine Entschlossenheit und sein unbezähmbarer Mut waren bewundernswert. Das änderte jedoch nichts an der tragischen Tatsache, dass jemand mit seinem Talent nun auf technische Mittel beschränkt war, mit denen er seine Visionen nie hinreichend ausdrücken konnte.
    »Er weiß, dass er die Qualität dessen, was er vorher geschaffen hat, nicht erreichen kann«, sagte seine Mutter. »Er muss meine Augen benutzen, meine Beschreibung jedes einzelnen Pinselstrichs, bevor er den nächsten macht. Aber wir beide hoffen, dass er irgendwann fähig sein wird, seine Vorstellungen auf eine schlichtere, aber trotzdem genauso vollkommene Weise wie früher auszudrücken. Falls es doch nie
dazu kommen sollte, ist es die Mühe trotzdem wert. Mit jedem Bild, das er malt, spuckt er diesen Verbrechern mitten ins Gesicht. Das darf jedoch niemand erfahren, denn wir wollen nicht, dass die wiederkommen. Falls Henry tatsächlich einen Weg findet, Werke eines bestimmten Rangs zu schaffen, dann sind die sein Erbe. Ausstellen wird man sie erst nach seinem Tod.«
    Die Hingabe, mit der sie sich um ihren Sohn kümmerte, war nicht weniger eindrucksvoll als dessen Entschluss, seinen Weg selbst unter den schlimmsten Bedingungen zu verfolgen, die man sich vorstellen konnte.
    Bella legte das Bild wieder an Ort und Stelle und zog ein anderes aus dem Schrank. Dann sah sie mich an. »Die Kidnapper und die Leute, die Henry gefoltert haben, wenn er bei Bewusstsein war, haben immer darauf geachtet, ihr Gesicht zu verhüllen. Nur einer trug keine Maske. Henry hat sich immer wieder alle Mühe gegeben, dieses Gesicht zu malen, aber ich glaube nicht, dass Sie etwas damit anfangen können. Das liegt nicht nur daran, dass ihm jetzt einfach die Technik fehlt, um ein Porträt zu malen. Die Drogen, unter die man ihn gesetzt hat, haben eindeutig seine Wahrnehmung verzerrt.«
    Als sie das Bild umdrehte, sah ich ein Gesicht, das nicht gut wiedergegeben war und auch nicht genau dem entsprach, woran ich mich erinnerte, aber ich erkannte trotzdem den deformierten Schädel des Kerls in dem Maserati.

Dritter Teil
    Zazu, Who’s who, Hund hier, Hund da, rummsbumms

48
    Soweit ich mich erinnern konnte, hatten Schriftsteller, Filmemacher und Sektenführer das Ende der Welt immer in Form von Feuer oder Eis dargestellt, zum Beispiel durch den Einschlag eines Asteroiden oder durch einen Polsprung. Eines dankbaren Publikums konnten sie sich dabei immer sicher sein.
    Der heutige Mensch trug eben eine unentrinnbare Ahnung im Herzen, dass etwas an dem Stück Geschichte, das er geerbt hatte, nicht in Ordnung war. Trotz in den Himmel ragender Städte, trotz mächtiger Armeen und trotz einer Technologie, die man noch vor kurzem für Science-Fiction gehalten hätte, empfand man die Gegenwart als zerbrechlich und ihre Fundamente als unterhöhlt.
    Während ich vom Haus von Henry Casas zu unserer Unterkunft ging, wurde auch ich von der Ahnung einer nahe bevorstehenden Katastrophe ergriffen. Da half es nichts, dass ich angeblich ein glühender Optimist, eine Frohnatur und ein Vorstandsmitglied in der Gesellschaft großer Narren war.
    Trat das Desaster jedoch tatsächlich ein, so war es der Zusammenbruch der Zivilisation, nicht das Ende der Welt. Der blaue, durchscheinende Himmel, das Meer, die Küste, das Land, die dunklen Nadelbäume ringsum - das alles würde weiter bestehen, unbeeinträchtigt vom menschlichen Elend.
    Mit seiner reichen viktorianischen Architektur und seinen friedlichen, baumbestandenen Straßen stellte Smokeville ein
Symbol dessen dar, was die moderne Welt weggeworfen hatte: die Achtung vor einer Tradition, die uns tragen konnte, und eine beruhigende Gewissheit, was unser aller Sinn und Zweck im Universum war.
    Feuer, Eis, Asteroiden und Polsprünge waren Schreckgespenster, mit denen wir uns von der wahren Bedrohung unserer Zeit ablenkten. In einer Epoche, in der jeder seine eigene Wahrheit erfand, gab es keine Gemeinschaft, nur einzelne Gruppen. Ohne Gemeinschaft aber konnte es keinen Konsens geben, wie man den gierigen, neidvollen, machthungrigen Narzisten entgegentreten sollte, die danach strebten, alles unter Kontrolle zu bringen und die Einrichtungen der Zivilisation in eine Reihe von Untergangsmaschinen zu verwandeln.
    Schöne Aussichten.
    In der Ferienhaussiedlung angelangt, gab ich mir Mühe, meine Stimmung aufzupeppen. Die Zivilisation würde schon nicht zusammenbrechen. Schlimmstenfalls bedeutete mein

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