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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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nicht.«
    »Ziemlich kompliziert«, sagte Hud.
    »Wie alles im Leben.«
    Mit der Ankunft des Regens hätte der Blick auf den Hafen eigentlich noch beruhigender wirken sollen. Regen wusch die Welt rein, und das brauchte sie. Doch während die nassen Boote zu glänzen begannen, wuchs meine Unruhe.
    »Alma hat gerade schon eine andere Klientin verloren«, sagte Hud. »Letzte Woche. Jemand Wichtigen.«
    »Wer war das?«
    »Gwyneth Oppenheim.«

    »Hud, die hat Alma doch nicht gefeuert. Sie ist mit sechsundachtzig an Krebs gestorben.«
    »Trotzdem nicht gut. Klienten zu verlieren. Schlechtes Zeichen.«
    Wahrscheinlich stammte meine Nervosität noch von dem Moment her, als ich von dem mächtigen Reiher aufgeschreckt worden war. Von Hud Jacklight bequasselt zu werden - Mann, das war da keine große Hilfe.
    Ich sagte ihm, Penny bräuchte jetzt dringend meine Unterstützung, nicht wegen ihrer Agentin, sondern wegen etwas anderem, und beendete den Anruf.
    Nachdem ich das Handy in die Brusttasche gesteckt hatte, ging ich nebenan ins Esszimmer und blieb dort wieder an den Fenstern stehen. Sie waren mit einem schmalen Vordach geschützt, weshalb die Scheiben trocken blieben.
    Hier fiel der Blick direkt auf den privaten Anlegeplatz des Hauses. Die rauen Teakbohlen des Piers und der Gangway waren schon vorher dunkelgrau gewesen; nun ließ die Nässe sie fast schwarz erscheinen. Da das Geländer lackiert war, sah es aus wie mit Eis überzogen.
    Am Nachbarsteg stand ein Mast, an dem schlaff eine amerikanische Flagge hing. Von ihrer unteren Spitze rann ein dünner Wasserfaden.
    Drei große, dunkle Formen wogten durchs Wasser. Sie tauchten rhythmisch auf, um gleich wieder zu verschwinden. Seelöwen.
    Immer sieht das Auge mehr, als der Verstand begreifen kann, weshalb wir blind für vieles, was sich direkt vor uns befindet, durchs Leben gehen. Wir wünschen uns eine einfache Welt, aber wir leben in einer, die unglaublich komplex ist. Statt uns für sie zu öffnen, nehmen wir sie durch Filter hindurch wahr. So kommt sie uns weniger entmutigend vor.

    Komplexität weist auf Sinn und Bedeutung hin. Davor haben wir Angst.
    Ich ging weiter ins nächste Zimmer und stellte mich hinter das Sofa, auf dem Penny schlief, dem Hafen zugewandt. Je länger man etwas ansah, desto mehr sah man eventuell davon, aber eben nicht immer. Penny zum Beispiel waren die Augen zugefallen.
    An dem niedrigen Tisch, der bei der zweiten Couchgarnitur stand, saß Milo, in seine Arbeit versunken.
    Zwischendrin musste er aufgestanden sein, denn das Deckenlicht brannte.
    Bis zum Einbruch der Dunkelheit blieben noch mehrere Stunden, doch die Unwetterwolken und der Regen hatten ein falsches Zwielicht geschaffen.
    Im Fensterglas spiegelten sich bleich die Lampen an der Decke. Dadurch verlor die Szenerie draußen an Eindeutigkeit. Objekte, die in Wirklichkeit voneinander getrennt waren, verschmolzen miteinander.
    Der Hafen war für mich also nicht so gut sichtbar, wie ich von dort aus gesehen werden konnte.
    Die Fenster waren eine Spezialanfertigung. Marty, der sich als Architekt mit solchen Sachen auskannte, hatte mir einmal erklärt, dass jede Scheibe der Dreifachverglasung mittels einer Art Nanotechnologie laminiert worden war. Außerdem war auf beiden Seiten ein Schutzfilm aufgetragen, durch den das Glas bei einem Erdbeben nicht zersplittern und Verletzungen verursachen konnte. Das war jedoch noch nicht alles. Wollte sich ein mordlüsterner Irrer oder ein rabiater Einbrecher Zugang zum Haus verschaffen, indem er ein Fenster mit dem Vorschlaghammer bearbeitete, so hätte er dafür mindestens fünf Minuten gebraucht. Sein Drang zu ungesetzlichem Tun wäre dabei wohl erheblich vermindert worden.

    Als das erste Gewehrgeschoss eines der Fenster durchschlug, war das einzige Geräusch ein hohles Pock ! Das Glas zerbarst nicht, und es bildete sich auch kein wirres Spinnennetz wie beim Zersplittern einer Windschutzscheibe. Bis auf einen Kranz aus feinen, kurzen Rissen sah das Loch so sauber aus, als hätte man es mit einer Bohrmaschine hergestellt.
    Noch während ich das Pock hörte, sah ich winzige Glassplitter durch die Luft fliegen, dann bemerkte ich das Loch und hörte das Geschoss irgendwo hinter mir einschlagen. Ich drehte mich jedoch nicht um, um zu sehen, was getroffen worden war.
    Stattdessen packte ich die Lehne des Sofas, hinter dem ich stand, und zog sie zu mir heran, so dass das Möbelstück umkippte. Gleichzeitig ließ ich mich auf den Boden fallen, gefolgt von der

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