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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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ziehen.
    »Nein!« Mit einem kräftigen Tritt löste Penny sich aus meiner Umklammerung und kroch weiter auf Milo zu. Indem sie ihn retten wollte, machte sie sich selbst zu einem Ziel, das kaum zu verfehlen war.

28
    Zuerst blieb Penny auf Händen und Knien, erhob sich jedoch rasch in die Hocke. Vielleicht hatte sie den Schutz des Sofas nur mit der Absicht verlassen, Milo mit ihrem Körper abzuschirmen und das für ihn gedachte Geschoss abzufangen.
    Einen Moment lang war ich völlig erstarrt.
    Jeder von uns ist die Summe seiner Erfahrungen, nicht im Freud’schen Sinne, dass wir deren Opfer wären, sondern weil wir diese Erfahrungen als wichtigste Quelle unserer Lebensweisheit nutzen - falls wir uns nicht irgendwelchen Illusionen hingeben und einer Ideologie folgen, die sich der Realität verweigert. An entscheidenden Punkten im Leben werden vernünftige Menschen von den Lektionen ihrer Vergangenheit geleitet.
    Was meine eigene Vergangenheit anging, so hatte sie mich unter anderem gelehrt, dass allein schon die Tatsache meiner Existenz ein Wunder war. Weil wir nie wussten, wie lange wir noch zu leben hatten, mussten wir jeden Tag nutzen und uns dabei im Klaren sein, dass Zuversicht das Gegengift zur Verzweiflung darstellt und dass es wichtig ist, über das Leben lachen zu können.
    Allerdings sind die Lektionen, die wir durch Erfahrungen lernen, nicht immer das, was wir daraus hätten lernen sollen. Zum Beispiel hatte ein Ereignis in meiner Vergangenheit mich gelehrt, Zorn immer mit Humor zu dämpfen oder gar gänzlich auszulöschen. Außerdem machte ich keinen Unterschied zwischen sinnlosem und gerechtem Zorn. Aus Zorn
entstand Gewalt, das wusste ich nur zu gut, aber ich hatte mich gegen die Vorstellung gewehrt, dass Zorn auch eine Folge reiner Entrüstung und frei von ideologischen Vorurteilen sein konnte. Dann aber war er eine notwendige Antwort auf Übergriffe jeder Art und schuf Gerechtigkeit.
    In meinen Büchern hatte sich diese Erkenntnis merkwürdigerweise schon ausgedrückt, in meinem Leben jedoch bisher noch nicht. Bis Shearman Waxx aufgetaucht war.
    Dieses vierschrötige Biest war mein Peiniger, aber auch mein Lehrer, denn durch den Elektroschock-Angriff und die Zerstörung unseres Hauses hatte er den Teil von mir aufgeweckt, der in dem genannten moralischen Koma gelegen hatte. Indem er nun auf Milo schoss, half er mir als Mensch zu lernen, was ich aus Schriftsteller schon wusste: dass man aus Zorn richtig handeln konnte, auch wenn dazu Gewalt vonnöten war.
    Hätte ich eine Schusswaffe gehabt, so wäre ich aus dem Haus geschlichen, um den Standort des Angreifers ausfindig zu machen. Und dann hätte ich versucht, Waxx zu erschießen, bevor er mich erschoss.
    Da ich jedoch keine Waffe hatte, blieb mir nur die Wahl, dem Impuls zu folgen, der mich plötzlich ergriffen hatte, egal, ob er vernünftig war oder nicht.
    In dem Augenblick, in dem Penny in die Hocke ging, sprang ich auf, damit ich ein besseres Ziel bot als sie. Dann rannte ich an den Fenstern vorbei auf die Wand mit der Entertainment-Anlage zu.
    Mein Zorn war so stark, dass ich mich fast für unverwundbar hielt, aber immerhin drehte ich mich nicht zu den Fenstern hin, um die nächste Kugel mit den Zähnen aufzufangen.
    Ich hörte, wie ein weiteres Geschoss das Glas durchschlug, und hoffte inständig, selbst das Ziel zu sein.

    An der Wand angelangt, griff ich nach dem Schalter, mit dem man die Jalousien betätigte. Wenn die nicht durch die beschädigten Fensterscheiben aufgehalten wurden, konnten sie unsere Rettung sein.
    Sobald die Jalousien sich in Gang setzten, wandte ich den Fenstern den Rücken zu und sah mich nach Penny und Milo um.
    Irgendwie war es Penny gelungen, den riesigen Couchtisch auf die Seite zu kippen und zwischen Milo und die Fenster zu schieben. Nun lagen beide dahinter, vor dem Schützen verborgen, für mich jedoch sichtbar.
    Der Tisch war massiv und gut gebaut. Dennoch hatte ein Geschoss die Platte bereits getroffen, ein Stück Holz herausgerissen und die andere Seite erreicht, glücklicherweise, ohne Mutter und Sohn zu treffen.
    Als die Jalousien bereits halb geschlossen waren, wurde mir etwas klar. Bei diesem Angriff hatte Waxx ein bestimmtes Ziel - Milo.
    Mich hätte er bereits problemlos töten können, während ich an den Fenstern vorbeigelaufen war. Er hatte bisher jedoch keinen einzigen Schuss auf mich abgegeben, nicht einmal dann, als ich reglos am Schalter gestanden hatte, um zu beobachten, ob die Jalousien in Gang

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