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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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setzen. Er will wissen, wo sich der nicht existierende Geheimtresor mit dem Goldschatz befindet.
    Ewen bietet ihm an, mit ihm ins Geschäft zu fahren und den dortigen Safe zu öffnen, weil das der einzige sei.

    Tray meint, es sei nicht wert, dieses Risiko einzugehen, wo doch gleich hier im Haus ein Vermögen verborgen sei.
    Ich höre dem Streit nicht richtig zu, und mit meiner kindlichen Auffassungsgabe verstehe ich auch nicht alles, aber ich spüre, dass Tray eigentlich gar nicht an die Existenz einer geheimen Schatzkammer glaubt. Er hat sie nur erfunden, um seine Komplizen dazu zu bringen, mit ihm hierherzukommen.
    In Wirklichkeit hat er nur eine einzige Absicht - uns alle zu töten. Irgendein urtümlicher Teil meines Gehirns, dessen primitive Weisheit wesentlich älter ist als ich, führt mich endlich zu der Erkenntnis, dass mein Vater und Davena tot sind und dass es anderen bald ebenso ergehen wird.
    Nachdem Tray zwei Menschen ermordet hat, haben die Männer, die er mitgebracht hat, nichts zu verlieren. Als Komplizen und Geiselnehmer sind sie bereits Kandidaten für die Todesstrafe oder einen lebenslänglichen Gefängnisaufenthalt.
    Später wird die Polizei bekanntgeben, Tray und seine Komplizen seien mit Methamphetamin vollgepumpt gewesen - und dadurch in der Stimmung, Gewalt als Spaßvergnügen aufzufassen.
    Frustriert benutzt Tray den Kolben seiner Waffe, um Ewen das Gesicht zu zerschmettern, dann verpasst er ihm einen Bauchschuss.
    Inzwischen wende ich mich vom Geschehen nicht mehr ab. Ich habe Angst, aber aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, zusehen zu müssen.
    Tray hat kein Interesse an dem geheimen Goldschatz mehr, an dessen Existenz er ohnehin nie geglaubt hat. Nun ist er das Schicksal höchstpersönlich. Mit der kalten Begeisterung einer Schlange, die sich im Hühnerhaus von einem Ei zum nächsten schlängelt, nimmt er sich nacheinander seine erstarrt dasitzenden Verwandten vor.

    Er begrüßt sie alle mit Namen. Manchmal fügt er eine Beleidigung oder eine obszöne Anspielung hinzu, manchmal macht er ihnen ein Kompliment. Egal, was er sagt, er erschießt sie anschließend.
    Zwei merkwürdige Dinge geschehen nun in diesem Farmhaus. Das erste: Auch nach den ersten Morden befinden sich genügend Menschen im Wohnzimmer, um sich auf Tray stürzen und ihn überwältigen zu können, bevor es ihm gelänge, alle zu erschießen. Dennoch hebt niemand die Hand gegen ihn. Sie sehen zu, wie er in der Reihenfolge, in der sie dasitzen, einen nach dem anderen umbringt. Wer noch am Leben ist, weint, bettelt um Gnade oder hockt schweigend und benommen da, leistet jedoch keinen Widerstand.
    In den achtundzwanzig Jahren, die seither vergangen sind, hat man das mehrfach bei ähnlichen Gelegenheiten beobachtet, aber in jener Nacht handelt es sich um ein ganz neues Phänomen.
    Sind die Opfer so stark einem scheinbar vernünftigen Zweifel an der Existenz des Bösen verhaftet, dass sie, damit konfrontiert, nicht in der Lage sind, ihren Irrtum einzusehen?
    Oder sind sie doch fähig, das Böse zu erkennen, können jedoch nicht glauben, dass es eine gegensätzliche Kraft gibt, die bereit ist, ihnen die Fähigkeit - und einen Grund - zum Überleben zu verleihen?
    Vielleicht ist es auch der satte Narzissmus unserer Zeit, der manche der Anwesenden davon abhält, sich ihren eigenen Tod vorzustellen, obwohl die Kugel schon im Lauf steckt.
    Die zweite Merkwürdigkeit, die sich in diesem Farmhaus ereignet, ist die Tatsache, dass ich überlebe. Wie ich das tue, ist einfach zu beschreiben. Weshalb ich überlebe, kann ich nicht erklären.
    Nachdem ich zugesehen habe, wie Tray drei weitere Menschen
umgebracht hat, verlässt mich alle Furcht, und ich weiß, was ich tun muss.
    Ich laufe nicht davon. Ich verstecke mich nicht. Beides kommt mir nicht einmal in den Sinn.
    Zuerst gehe ich zu meiner Cousine Davena und stelle ihre Würde wieder her, indem ich ihren Rock glattziehe. Das scheint mir das Richtige zu sein.
    So behutsam, wie es geht, wälze ich sie von dem Fußschemel, über dem sie liegt, und drehe sie auf den Rücken. Ich streiche ihr das Haar aus dem Gesicht, das immer noch wunderschön ist.
    »Leb wohl«, sage ich.
    Das Gesicht meines Vaters ist zerschmettert und nach innen gesunken. Über einer Sessellehne hängt der Schal von Tante Helen. Den lege ich meinem Vater so übers Gesicht, dass er die Verwüstung verbirgt.
    »Leb wohl.«
    Tray geht weiter durchs Zimmer, um einen nach dem anderen zu töten. Ich folge ihm in einigem

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