Blink! - die Macht des Moments
Meinungsforschung ein Instrument, das er für sich nutzen konnte.
Es bot eine Möglichkeit, die mysteriösen Launen der öffentlichen Meinungen wissenschaftlich zu untersuchen zu und bewerten.
Als Bill Clinton schließlich als Präsident der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus einzog, wurde Morris einer seiner wichtigsten
Berater. Beobachter hielten ihm oft vor, er sei besessen von Umfrageergebnissen. Dies sei zutiefst problematisch, denn die
Aufgabe eines |154| gewählten Volksvertreters sei es doch in erster Linie, ein Land zu führen und Prinzipien zu vertreten, und nicht, auf mehrheitsfähige
Meinungen zu schielen. Mag sein, dass diese Position ein bisschen hart ist. Morris führte in der Welt der Politik nur ein,
was in der Wirtschaft längst gang und gäbe war. Im Grunde möchte doch jeder von uns wissen, wie die Welt auf einen reagiert.
Die Produzenten von Filmen, Waschmitteln, Autos oder Musik wollen vor der Markteinführung herausfinden, was die potenziellen
Käufer von ihren neuen Produkten halten. Deswegen reichte den Managern der Musikindustrie auch im Fall von Kenna ihre Bauchreaktion
nicht aus. Intuitive Einschätzungen des breiten Publikumsgeschmacks erscheinen zu unzuverlässig. Also wurde Kennas CD den
Marktforschungsunternehmen übergeben, denn der sicherste Weg herauszufinden, ob sich ein Produkt verkauft, scheint doch immer
noch der, die potenziellen Kunden selbst zu fragen.
Aber ist das wirklich so? Wenn wir die Studenten in John Barghs Experiment gefragt hätten, warum sie so geduldig im Gang standen,
nachdem sie mit den höflichen Wörtern eingestellt worden waren, dann hätten sie es uns nicht sagen können. Wenn Sie die Kartenspieler
aus dem Iowa-Experiment gefragt hätten, warum sie bereits nach zehn Zügen eher zu den Karten aus dem blauen Stapel griffen,
dann hätten sie es Ihnen erst sagen können, nachdem sie 70 weitere Karten gezogen hatten. Sam Gosling und John Gottman haben
herausgefunden, dass wir den wahren Gedanken und Gefühlen eines Menschen sehr viel besser auf die Spur kommen, wenn wir seine
Gestik, seine Mimik, sein Bücherregal oder die Bilder an der Wand seines Wohnzimmers ansehen, als wenn wir ihn direkt befragen.
Vic Braden musste schließlich feststellen, dass Menschen ihre Handlungen und Entscheidungen zwar sehr bereitwillig erklären,
dass diese Erklärungen aber nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben müssen, besonders, wenn diese Handlungen und
Entscheidungen spontan und unbewusst erfolgen. Im Gegenteil, oft erscheinen solche Erklärungen völlig aus der Luft gegriffen.
|155| Wenn also Marktforscher potenzielle Konsumenten bitten, ihre Reaktionen auf ein bestimmtes Produkt zu schildern und zu erklären,
ob ihnen ein Musikstück, ein Film oder eine Politikerrede gefällt oder nicht – inwieweit können wir uns dann auf diese Antworten
verlassen? Es klingt, als könne es doch gar nicht so schwer sein, herauszufinden, was jemand über einen Popsong denkt. In
Wahrheit ist es alles andere als einfach. Doch die Unternehmen, die Fokusgruppen und Meinungsumfragen einsetzen, sind sich
der Schwierigkeiten nicht immer bewusst. Um zu ergründen, wie gut Kenna wirklich ist, müssen wir uns noch eingehender mit
unseren Spontanentscheidungen beschäftigen.
Mach den Pepsi-Test !
Anfang der achtziger Jahre begann die Coca-Cola Company sich Sorgen um ihre Zukunft zu machen. Es hatte eine Zeit gegeben,
da war Coca-Cola weltweit unangefochten die Nummer eins unter den Herstellern von Erfrischungsgetränken gewesen. Doch dann
hatte Pepsi begonnen, Coca-Cola Jahr für Jahr und Stück für Stück mehr Anteile des US-Marktes abzunehmen. 1972 tranken in
den USA 18 Prozent aller Konsumenten von Erfrischungsgetränken ausschließlich Coca-Cola, während sich nur vier Prozent als
ausschließliche Pepsitrinker bezeichneten. Anfang der Achtziger war der Anteil von Coca-Cola auf 12 Prozent zurückgegangen
und der von Pepsi Cola auf 11 Prozent gestiegen – und das, obwohl Coca-Cola in viel mehr Geschäften und Automaten erhältlich
war als Pepsi und jedes Jahr 100 Millionen US-Dollar mehr für Werbung ausgab als der Konkurrent.
Auf dem Höhepunkt dieser Krise begann Pepsi mit einer Werbekampagne im Fernsehen, in der sie Coca-Cola und Pepsi einander
direkt gegenüberstellten. In diesem »Pepsi-Test« wurden Stammkonsumenten von Coca-Cola aufgefordert, je einen Schluck aus |156| zwei Gläsern zu nehmen, von denen eines
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