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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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meiner Assistenten. Bei Aktionseinheit 38
     bläht man die Nasenflügel auf, |199| 39 ist das genaue Gegenteil. Es ist der Muskel, der sie nach unten zieht.« Er schüttelte den Kopf und sah mich an. »Oh, Sie
     haben eine großartige 39. Das ist die beste, die ich je gesehen habe. Es ist eine genetische Veranlagung. Es gibt bestimmt
     auch noch andere Familienmitglieder, die dieses verborgene Talent haben. Klasse, Sie haben’s raus!« Er lachte wieder. »Damit
     können Sie Leute beeindrucken. Sie sollten das mal in einer Singles-Bar ausprobieren!«
    Dann begann Ekman, verschiedene Aktionseinheiten miteinander zu kombinieren, um die komplizierten Gesichtsausdrücke zu erzeugen,
     die wir üblicherweise als Gefühlsregungen deuten. Glück setzt sich zum Beispiel aus den Aktionseinheiten sechs und zwölf zusammen
     – die Muskeln, die die Wangen heben (
Orbicularis
oculi, Pars prbitalis
) und der
Zygomaticus major,
der die Mundwinkel anhebt, ziehen sich zusammen. Angst ist eine Kombination aus Aktionseinheit 1, 2 und 4, oder genauer 1,
     2, 4, 5 und 20, mit oder ohne 25, 26 oder 27. Das bedeutet, der innere Brauenheber (
Frontalis, Pars medialis
) plus der äußere Brauenheber (
Frontalis, Pars lateralis
) plus der brauensenkende
Depressor
supercilii
plus der
Levator palpebrae superioris
(der das obere Augenlid hebt) plus der
Risorius
(der die Lippen streckt) plus der
Depressor labii
(der die Lippen öffnet) plus der
Masseter
(der die Kinnlade herunterklappen lässt). Ekel ist in der Hauptsache Aktionseinheit 9, ein Runzeln der Nase, kann aber auch
     eine 10 sein und in beiden Fällen mit Aktionseinheit 15, 16 oder 17 kombiniert werden.
    Ekman und Friesen stellten diese Kombinationen und die Regeln für ihre Interpretation in einem System namens Facial Action
     Coding System oder FACS zusammen. Das Dokument umfasst 500 Seiten und ist auf seltsame Weise fesselnd: Es steckt voller Details,
     wie zum Beispiel allen denkbaren Lippenbewegungen (Langziehen, Verkürzen, Verengen, Weiten, Einziehen, Ausstülpen, Zusammenpressen
     und Strecken) oder den vier möglichen Veränderungen der Haut zwischen den Augen und den Wangen |200| (Wulst, Tasche, Sack, Falte). John Gottman, dessen Forschungsarbeiten ich im ersten Kapitel vorgestellt habe, arbeitet seit
     Jahren mit Ekman zusammen und benutzt die Systematik des FACS für seine Paaranalysen. Andere Wissenschaftler bringen Ekmans
     System zur Anwendung, um so gut wie jede Krankheit von Schizophrenie bis zum Herzinfarkt zu untersuchen. Trickfilmstudios
     wie Pixar und DreamWorks haben seine Erkenntnisse für computeranimierte Trickfilme wie
Toy Story
oder
Shrek
benutzt. Es ist wochenlange Arbeit nötig, bis man FACS völlig verstanden hat, und nur rund 500 Wissenschaftler in aller Welt
     haben seine Nutzung studiert. Doch die wenigen, die sich intensiv damit beschäftigen, haben einen unglaublichen Einblick in
     die Botschaften, die wir uns senden, wenn wir einander in die Augen sehen.
    Ekman erinnert sich noch gut daran, wie er während des Demokratischen Nominierungsparteitages 1992 zum ersten Mal Bill Clinton
     sah. »Ich habe mir seine Mimik angeschaut und zu meiner Frau gesagt, ›Das ist ein kleiner Schelm‹«, erinnert er sich. »Er
     will, dass wir ihn mit der Hand in der Keksdose erwischen und dass wir ihn trotzdem dafür lieben. Er hatte diesen Lieblingsgesichtsausdruck,
     so einen Mammi-hab-mich-trotzdem-lieb-Blick: Aktionseinheit 12, 15, 17 und 24, mit einem Augenroller.« Ekman machte eine Pause
     und verzog das Gesicht: Er zog seinen
Zygmaticus major
zu einem klassischen Lächeln zusammen und zog dann die Mundwinkel mit seinem
Triangularis
nach unten. Er spannte den
Mentalis,
der das Kinn hebt, presste die Lippen zusammen und rollte die Augen – und es war, als wäre Slick Willie selbst im Raum.
    »Ich kannte jemanden in Clintons PR-Team. Den habe ich angesprochen und ihm gesagt: ›Clinton hat diese Angewohnheit, mit diesem
     Gesichtsausdruck die Augen zu rollen, und damit sagt er nichts anderes als: ‚Ich bin ein schlimmer Bube.‹ Ich weiß nicht,
     ob das so gut ist. Ich könnte ihm in zwei oder drei Stunden beibringen, das zu vermeiden.‹ Aber mein Bekannter meinte, ›Wir |201| können uns nicht erlauben, dass er bei einem Lügen-Experten gesehen wird.‹« Offensichtlich war Ekman ein Fan von Clinton und
     hätte sich gewünscht, dass der Gesichtsausdruck bloß ein bedeutungsloser Tick gewesen wäre. Er zuckte bedauernd mit den Schultern.
    

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