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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Klinik, darunter eine 42-jährige Hausfrau namens Mary. Sie hatte
     drei Selbstmordversuche hinter sich. Beim dritten Mal hatte sie eine Überdosis Schlaftabletten genommen und nur deshalb überlebt,
     weil ein Bekannter sie zufällig gefunden und ins Krankenhaus gebracht hatte. Ihre Kinder waren erwachsen und waren zu Hause
     ausgezogen, ihr Ehemann hatte jedes Interesse an der Beziehung verloren und war in Depressionen verfallen. Während der ersten
     Tage im Krankenhaus konnte sie nicht aufhören zu weinen, doch sie schien gut auf die Therapie anzusprechen. Nach drei Wochen
     erklärte sie den Ärzten, sie fühle sich bereits viel besser und wolle ein Wochenende mit ihrer Familie verbringen. Die Ärzte
     stimmten zu, doch kurz bevor Mary das Krankenhaus verlassen sollte, gestand sie, dass sie nur um Entlassung gebeten habe,
     weil sie erneut versuchen wollte, sich das Leben zu nehmen. Einige Jahre später, als Psychologiestudenten ihn fragten, woran
     man erkennen könne, wann suizidgefährdete Patienten lügen, erinnerte sich Ekman an seine Aufnahmen von Mary und beschloss,
     sich das Video noch einmal anzusehen. Wenn Mary tatsächlich gelogen hatte, als sie behauptet hatte, es gehe ihr besser, dann
     müsste man das in der Aufzeichnung erkennen können, so seine Annahme. Also analysierten Ekman und Friesen die Aufnahmen und
     suchten |204| nach versteckten Hinweisen. Mehrere Stunden lang sahen sie sich das Video wieder und wieder an und untersuchten in Zeitlupe
     jede Geste und jedes Mienenspiel. Schließlich fanden sie, was sie suchten. Als der Arzt Mary nach ihren Zukunftsplänen fragte,
     huschte ein Ausdruck tiefster Verzweiflung über ihr Gesicht, aber so schnell, dass es kaum zu erkennen war.
    Ekman nennt diesen flüchtigen Blick einen Mikro-Ausdruck, eine ganz besondere und wichtige Form des Gesichtsausdrucks. Ein
     großer Teil unseres Mienenspiels lässt sich von unserem Willen kontrollieren. Wenn ich grimmig dreinschauen möchte, während
     ich Ihnen die Leviten lese, dann fällt mir das nicht weiter schwer, und Sie wiederum haben keinerlei Schwierigkeiten, meinen
     finsteren Blick zu deuten. Doch unsere Gesichtsmuskeln werden von einem weiteren System gesteuert, das nicht unserem bewussten
     Willen unterliegt. Kaum jemand kann beispielsweise Aktionseinheit 1 nachmachen, mit der wir Traurigkeit zum Ausdruck bringen.
     (Laut Ekman ist Woody Allen eine der wenigen Ausnahmen: Er benutzt seinen
Frontalis, Pars medialis
für sein Erkennungszeichen, den komisch-traurigen Hundeblick.) Doch wenn wir traurig sind, heben wir unsere inneren Augenbrauen,
     ganz ohne darüber nachzudenken. Schauen Sie sich einmal ein Baby an, kurz bevor es anfängt zu weinen: Der innere Teil der
     Augenbrauen schießt wie auf Knopfdruck nach oben. Ganz ähnlich gibt es einen Gesichtsausdruck, den Ekman Duchenne-Lächeln
     nannte, in Andenken an den französischen Neurologen Guillaume Duchenne, der bereits im neunzehnten Jahrhundert versucht hatte,
     die Bewegungen der Gesichtsmuskeln mit einer Kamera zu dokumentieren. Wenn Sie auf Kommando lächeln sollen, dann spannen Sie
     Ihren
Zygomaticus
major.
Wenn Sie dagegen spontan lächeln und dabei eine echte Empfindung haben, dann spannen Sie nicht nur den
Zygomaticus
Major,
sondern zudem den
Orbicularis oculi, Pars orbitali,
den Augenringmuskel. Es ist äußerst schwer, diesen Augenringmuskel auf Kommando anzuspannen, aber es ist fast ebenso schwer,
     ihn nicht anzuspannen, wenn wir wirkliche Freude empfinden. Dieses |205| Lächeln »gehorcht dem Willen nicht«, schrieb Duchenne. »Sein Fehlen entlarvt den falschen Freund.«
    Jedes Mal, wenn wir etwas empfinden, dann wird diese Empfindung automatisch von den Gesichtsmuskeln zum Ausdruck gebracht.
     Manchmal spielte sich diese Reaktion in Sekundenbruchteilen ab und ist nur mittels elektrischer Sensoren erkennbar. Aber sie
     tritt immer ein. Silvan Tomkins begann eine seiner Vorlesungen mit dem Ausruf: »Das Gesicht ist wie der Penis!« Womit er sagen
     wollte, dass das Gesicht ein Eigenleben führt, das wir nur bedingt kontrollieren können. Das heißt nicht, dass wir gar keinen
     Einfluss auf unser Mienenspiel hätten. Mithilfe derjenigen Muskeln, die dem Willen unterworfen sind, können wir Regungen unterdrücken.
     Doch oft dringt ein kleiner Teil des unterdrückten Gefühls doch nach außen. Das passierte Mary, als sie leugnete, dass sie
     sich unglücklich fühlte. Mit den Gesichtsmuskeln, die dem Willen unterworfen sind, zeigen

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