Blink! - die Macht des Moments

Verfolgten. Dann stellt er sich neben den leblosen Körper, raucht eine Zigarette und
     geht in die nächste Kneipe, um mit seinem Partner ein Bier zu trinken. Wenn man Hollywood Glauben schenkt, dann ist Schießen
     eine alltägliche und normale Handlung. In Wahrheit ist es natürlich alles andere als das. Die meisten Polizisten – über 90
     Prozent – feuern in ihrer gesamten Laufbahn nicht einen einzigen Schuss auf einen Menschen ab. Diejenigen, die von der Waffe
     Gebrauch gemacht haben, beschreiben dies als eine so unglaublich nervenaufreibende Erfahrung, dass man sich mit einiger Berechtigung
     fragen kann, ob diese Situation nicht so etwas wie akuten, zeitlich begrenzten Autismus hervorrufen könnte.
    In der Folge möchte ich einige längere Passagen aus Interviews zitieren, die David Klinger, Kriminologe von der Universität
     Missouri für sein Buch
Into the Kill Zone
mit Polizeibeamten geführt hat. Der erste Auszug stammt aus einem Interview mit einem Polizisten, der auf einen Mann schoss,
     während dieser drohte, seinen Kollegen zu erschießen.
    Er hat aufgeschaut, mich gesehen und gesagt »Oh, scheiße.« Aber es hat nicht geklungen wie: »Scheiße, ich habe Angst.« Es
     hat geklungen wie: »Scheiße, noch einer, den ich umlegen muss« – aggressiv und gemein. Er hat die Pistole von Dans Kopf weggenommen
     und angefangen, sie in meine Richtung zu drehen. Das ist alles ganz schnell passiert, in wenigen Sekundenbruchteilen, und
     gleichzeitig habe ich |217| meine Pistole auf ihn gerichtet. Dan hat noch mit ihm gekämpft, und das Einzige, was ich in diesem Moment gedacht habe, war:
     »Lieber Gott, bitte lass mich nicht Dan treffen.« Ich habe fünfmal geschossen. Meine Sicht hat sich völlig verändert, sobald
     ich mit dem Schießen angefangen habe. Ich habe nicht mehr das ganze Bild gesehen, sondern nur noch den Kopf des Verdächtigen.
     Alles andere ist verschwunden. Ich habe auch Dan nicht mehr gesehen, ich habe gar nichts mehr gesehen. Alles, was ich gesehen
     habe, war der Kopf des Verdächtigen.
    Ich konnte genau sehen, wie vier von fünf Kugeln getroffen haben. Die erste hat ihn in die linke Augenbraue getroffen. Ein
     Loch hat sich aufgetan, der Kopf ist zurückgeschnalzt, und er hat »Oh« gesagt, so wie: »Oh, du hast mich erwischt.« Er hat
     immer noch versucht, auf mich zu zielen, und ich habe ein zweites Mal geschossen. Ich habe einen roten Fleck genau unter seinem
     linken Auge gesehen, und sein Kopf hat sich zur Seite gedreht. Ich habe wieder geschossen. Ich habe sein linkes Auge an der
     Seite getroffen, und das Auge ist in alle Richtungen gespritzt, es ist einfach geplatzt und rausgeflogen. Mein vierter Schuss
     hat ihn vor dem linken Ohr getroffen. Mit der dritten Kugel hat sich sein Kopf weiter zur Seite gedreht. Als die vierte Kugel
     getroffen hat, habe ich einen roten Fleck an der Seite seines Kopfes gesehen, ganz nah. Ich habe nicht gesehen, wohin mein
     fünfter Schuss gegangen ist. Dann habe ich gehört, wie der Typ rückwärts umgefallen und auf dem Boden aufschlagen ist.
    Ein weiteres Statement:
    Als er auf uns zugerannt kam, hat sich alles in Zeitlupe verwandelt, und ich habe alles wie durch einen Tunnel gesehen...
     Als er sich bewegt hat, hat sich mein ganzer Körper angespannt. Ich erinnere mich, dass ich von der Brust abwärts nichts mehr
     gefühlt habe. Alles war darauf konzentriert, mein Ziel zu beobachten und darauf zu reagieren. Ein wahnsinniger Adrenalinschub!
     Ich habe nichts anderes mehr gesehen, alle meine Sinne waren auf den Typen gerichtet, der mit der Pistole in der Hand auf
     uns zugerannt kam. Mein Blick hat sich auf seinen Oberkörper und seine Pistole konzentriert. Was er mit der |218| linken Hand gemacht hat, könnte ich Ihnen nicht sagen. Ich habe keine Ahnung. Ich habe die Pistole beobachtet. Er hat die
     Pistole auf Brusthöhe gehoben, und dann habe ich meinen ersten Schuss abgefeuert.
    Ich habe nichts gehört, nichts. Alan hatte schon geschossen, als ich zum ersten Mal geschossen habe, aber ich habe nichts
     gehört. Er hat noch zweimal geschossen, während ich zum zweiten Mal abgedrückt habe, aber das habe ich auch nicht gehört.
     Wir haben aufgehört zu schießen, als der Typ hingefallen und in mich reingeschlittert ist. Dann habe ich auf einmal über dem
     Typen gestanden. Ich erinnere mich nicht, wie ich aufgestanden bin. Ich weiß nur, dass ich plötzlich auf meinen beiden Füßen
     gestanden und auf den Typen runtergeschaut habe. Ich