Blitz: Die Chroniken von Hara 2
schwach sind, um uns zu vernichten. Aber stolz? Nein, stolz bin ich auf das, was ich getan habe, nicht. Ich will einfach nicht, dass meine Kinder unter dem Joch der Elfen leben. Würden meine Freunde von damals noch leben, dürften sie dir wahrscheinlich genau das Gleiche sagen.«
»Sie sind tot?«
»Ja. Die anderen drei sind von den Spitzohren geschnappt worden. Nur einer hat überlebt. Der Graue.«
»Der sogar den ganzen Krieg überstanden hat.«
»Nur enden manche Kriege nie. Das gilt vor allem für solche gegen die Hochwohlgeborenen. Wir haben diesen Monstern zehn Jahre Frieden geschenkt. Zehn wertvolle Jahre, damit sie sich nach der Niederlage am Gemer Bogen erholen konnten. Der Imperator hat einen entsetzlichen Fehler begangen, als er mit dem Delben Vaske, diesem Hund von Elfenkönig, einen Friedensvertrag unterschrieben hat. Wir hätten die Spitzohren in jenem Jahr, da sie auf den Knien bei uns angekrochen kamen, vernichten müssen. Damals, als sie um Frieden und Gnade gebettelt haben – nachdem sie uns dreihundert Jahre lang zugesetzt hatten. Ich brauche dir nicht zu sagen, wohin uns dieser Friedensvertrag gebracht hat. Die Hochwohlgeborenen haben uns mal wieder verraten. Ohne sie wäre der Linaer Moorpfad noch unser. Deshalb habe ich nicht den Krieg überlebt – sondern nur einen sehr langen Waffenstillstand genossen.«
»Aber immerhin gab es eine Zeit, in der die Waffen schwiegen«, bemerkte er. »In der du aber weitergemordet hast. Und diesmal Menschen.«
»Das stimmt nicht. Ich habe der Gilde weniger als zwei Jahre angehört. Die übrige Zeit haben Lahen und ich ein friedliches Leben geführt.«
»In zwei Jahren kann man viele Menschen töten.«
»Ich habe acht Aufträge für Moltz erledigt. Wenn du die Schreitende mitzählst, gehen neun Seelen auf meine Rechnung.«
Shen starrte mich ungläubig an.
»Was ist? Hattest du gedacht, es seien mehr?«, fragte ich grinsend. »Tut mir aufrichtig leid, dass ich deine Erwartungen nicht erfülle. Mich haben eben immer nur schwierige Aufträge gereizt. Bei denen es um einflussreiche und gefährliche Menschen ging. Deren Tod sich die Auftraggeber ein hübsches Sümmchen kosten ließen. Deshalb habe ich mir selbst in Friedenszeiten nicht so viele Morde aufgeladen.«
»Das rechtfertigt dich in keiner Weise!«, fauchte er.
Das glaubte Shen wirklich. Ob ich ihn überzeugen sollte, dass Geld allein nicht ausschlaggebend gewesen war? Indem ich ihm beispielsweise von meinem vierten Auftrag erzählte?
Dabei ging es um einen Adligen, eine der Stützen des Imperators. Ein bedeutender Mann also. Und ein gefährlicher. So gefährlich, dass sich Gerüchten zufolge nicht einmal die Kollegen aus der Hauptstadt mit ihm anlegten. Der Kerl hatte alles: Erfolg, Verstand, Geld, Frauen und Macht. Von Letzterer allerdings nicht genug, wie er fand. Statthalter, das war es, wonach es ihn verlangte. Ein verständlicher Wunsch, zugegeben. Nur dass der Statthalter seinen Platz nicht räumen wollte. Deshalb hat der edle Shagor einen kleinen Aufstand angezettelt. Vermutlich hat er darauf gehofft, dass der Imperator bis zur letzten Sekunde nichts von seinen Plänen erführe. Dergleichen hatte es immer mal wieder gegeben. Vielleicht steckte dieser Shagor aber auch gar nicht selbst hinter der Verschwörung, sondern hohe Tiere aus Korunn. Jedenfalls konnte er sich der Unterstützung des ganzen Nordens sicher sein, während der Süden zum Statthalter hielt. Wäre es tatsächlich zum Kampf gekommen, hätte das Waffengeklirr wohl noch in den Glücklichen Gärten widergehallt, denn ein Statthalter räumt seinen Posten nur selten leise – und nie auf eigenen Wunsch. In den Provinzen wäre ohne Frage ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Der so lange getobt hätte, bis sich abgezeichnet hätte, wer der Stärkere ist – und die Truppen des Imperiums zu seinen Gunsten eingegriffen hätten. Nur wären bis dahin schon zahllose Menschen im Reich der Tiefe gelandet …
Shagor wurde so hervorragend bewacht, dass niemand an ihn herankam. Trotzdem übernahmen Lahen und ich den Auftrag. Und hatten Erfolg. Niemand kam uns auf die Schliche. Moltz war hochzufrieden. Also, mein guter Shen, was sagst du nun? Ein Leben gegen Tausend. Oder von mir aus auch Tausend gegen eins. Der Adlige wollte Blut – und er hat es bekommen. Dass ein Feldherr des Imperiums leer ausging und keinen Orden bekam, weil es eben keinen Aufstand gab, den er hätte niederschlagen können, das war meiner Ansicht nach zu
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