Blitz: Die Chroniken von Hara 2
einem ganz reizenden Ort einquartiert. Der Herr des Hauses ist ein angenehmer Zeitgenosse und hat einer müden, angejahrten Frau gern ein Obdach gewährt.«
Thia zweifelte nicht daran, dass dieser angenehme Zeitgenosse den dringenden Wunsch verspürte, sein Leben noch nicht zu beschließen, und dass er Talki allein deshalb mit offenen Armen empfangen hatte.
»Ich werde meine Tage hier noch ein Weilchen genießen. Außerdem spiele ich mit dem Gedanken, nach Gash-shaku weiterzuziehen. Es wird Zeit, etwas in dieser Stadt zu unternehmen. Diese Sturköpfe, die sich hinter den Mauern verschanzen, scheinen die Lektion von Altz nicht begriffen zu haben. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht um deine Belange kümmere. Du musst mir dieses bemerkenswerte Pärchen nur bringen.«
»Der Heiler dürfte nicht so schwer zu schnappen sein, denn letzten Endes ist er nicht besonders gründlich ausgebildet. Aber die Frau ist gefährlich. Ich bin mir nicht sicher, dass ich sie lebend in die Finger bekomme. Nicht in dem Körper, in dem ich zurzeit stecke.«
»Hast du das immer noch nicht begriffen?«, entgegnete Talki. »Wir brauchen die Autodidaktin unbedingt. Und zwar lebend. Gut, ich will nicht verhehlen, dass sie auch mich interessiert – aber für dich bedeutet sie die einzige Hoffnung. Für dich ist sie sogar lebenswichtig, würde ich sagen. Ohne sie werden wir nicht weiterkommen. Keinen Schritt. Entweder du übernimmst ihren Körper – oder du übernimmst gar nichts mehr. Warum muss ich dir das immer wieder einbläuen? Also bring mir die beiden. Oder besser noch alle drei.«
»Wozu brauchst du den Bogenschützen?«, fragte Thia empört. »Der gehört mir.«
»Auf ihn bestehe ich nicht. Mit ihm kannst du verfahren, wie du es für richtig hältst. Hast du eigentlich schon gehört, dass Rowan immer noch am Salattor feststeckt?«
»Das hat mir Mithipha bereits gesagt. Er dürfte diesen Herbst und wohl auch den Winter über beschäftigt sein. Insofern brauchen wir uns keine weiteren Gedanken um ihn zu machen.«
»Das nehme ich auch an. Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?«
»Nein. Das heißt, ja, doch. Ich habe ein Problem.«
»Mit deinem Körper? Der scheint mir inzwischen doch recht passabel. Du hast ihn hervorragend umgearbeitet.«
»Dann sieh dir mal meine Augen an.«
»Oh, stimmt. Das Alter muss mich blind gemacht haben. Dieser Trottel hat inzwischen deine Augen. Die würde ich unter tausend anderen wiedererkennen. Mhm … Hast du noch andere Veränderungen bemerkt?«
»Nein«, antwortete Thia.
»Und in deinem Gemütszustand? In deinen Stimmungen? Ist dir etwas aufgefallen, das du bisher nicht an dir kanntest? Wutausbrüche? Unbeherrschtheit? Obwohl: Unter der hast du immer gelitten«, meinte Talki kichernd, um in Thias Augen sodann die Antwort abzulesen. »Also liege ich mit meinen Vermutungen richtig?«
»Zumindest nicht ganz falsch«, gab Thia widerwillig zu. Sie hatte nicht die Absicht, Talki von den Albträumen zu erzählen, die sie heimsuchten, von der ständigen Furcht, der widerlichen Panik und den abrupten Stimmungsumschwüngen. »Was ist mit mir?«
»Was? Nichts Besonderes, meine Liebe. Außer dass du allmählich wieder zu einem Menschen wirst.«
»Was soll das heißen?«, fragte Thia verständnislos. »Was bin ich denn jetzt? Ein Falter?«
»Früher warst du ein dummes Mädchen. Eine Schreitende. Die Schülerin Sorithas. Thia al’Lankarra eben. Und das war eine ganz andere Thia, die nicht viel mit der zu tun hat, zu der du geworden bist, nachdem dieser Flegel Rethar dich in dunkler Magie unterwiesen hat. Wenn du über viele – sehr viele! – Jahre deine Gabe anrufst und wenn diese zudem von so besonderer Natur ist wie die unsere, dann verändert dich das. Es zerstört den gewöhnlichen Menschen in dir und gebiert etwas Neues. Was allerdings niemand von euch bemerkt hat.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Denk nur einmal an dich! Du bist überheblich geworden und hast Sünden auf dich geladen. Du nimmst deine Gegner nicht mehr ernst – und dafür musstest du nun einen hohen Preis zahlen. Eine einfache Bauersfrau hat dich angegriffen und dir tüchtig zugesetzt. Wie konnte ihr das gelingen? Ich würde sagen, wenn du nur etwas vorsichtiger gewesen wärst, etwas weniger hochnäsig gegenüber denjenigen, die du für schwächer hältst, dann würdest du jetzt noch in deinem alten Körper stecken. Oder nimm unseren guten Rowan. Er hat sein letztes bisschen Gewissen verloren und sich in ein
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