Blitz in Gefahr
er noch auf dem Kopf. In dieser gleichsam normalen Aufmachung und ohne den Stock mit der Speerspitze wirkte er eigentlich nicht mehr so unheimlich.
De Villas Augen wandten sich wieder Alec zu, nachdem sich die Tür hinter dem alten Sonderling geschlossen hatte. »Sind Sie mit Ihrem Pferd allein in Florida?« fragte er.
»Allein eigentlich nicht«, antwortete Alec, fügte aber keine nähere Erklärung hinzu. Wenn de Villa Genaues erfahren wollte, konnte er ja Erkundigungen einziehen. »Machen Sie sich eigentlich keine Sorgen, wenn Ihr Onkel Omar in seinem hohen Alter allein hier im Sumpf umherläuft?«
»O nein! Wie Sie ja selbst sehen, ist er noch ungemein rüstig, und obendrein kennt er die Everglades viel besser als ich. Abgesehen davon versteht er die Seminolensprache und hat sich mit den Bewohnern des unweit gelegenen Indianerdorfes angefreundet.« Der Hauptmann machte eine Pause, als wäre er unentschlossen, ob er fortfahren sollte. Dann blitzte ein Licht in seinen dunklen Augen auf, und er setzte hinzu: »Omar ist nämlich äußerst mißtrauisch der Außenwelt gegenüber wie die Seminolen; sie hassen die Weißen, die die Everglades entwässern und urbar machen wollen. Das war der Grund, weshalb ich ihm gesagt habe, Sie wären mein Freund. Nachdem er Ihnen die Hand gegeben hat, wird er Sie unbehelligt lassen.«
»Ich kann seine Gefühle durchaus verstehen«, sagte Alec. »Immerhin wird es mindestens noch Jahrzehnte dauern, bis der Entwässerungsplan durchgeführt ist, denn das Sumpfgebiet ist ungeheuer groß.«
»Sie mögen recht haben«, antwortete der Hauptmann. »Aber wenn man es beobachtet, so kommen die Ingenieure mit ihren Arbeiten trotzdem verhältnismäßig schnell voran. Ich persönlich liebe die unberührte Natur auch mehr als die, die sich der Mensch mit seiner Technik unterworfen hat; aber — was läßt sich tun?« Er verstummte plötzlich, als hegte er die Befürchtung, schon zuviel gesagt zu haben. Alec kam sein Blick jetzt wieder rätselhaft und bedrohlich vor, ohne daß er sich erklären konnte, warum.
»Doch genug davon«, sagte de Villa mit einer Handbewegung, als wischte er das vorige Thema unter den Tisch. »Wir wollen jetzt lieber von Ihnen und Ihrem Pferd sprechen. Sie sagten vorhin, Sie wären nicht allein?«
Alec lächelte in sich hinein, ihr Handel um Informationen über den anderen ging weiter, und jetzt war er an der Reihe. »Ich bin insofern nicht allein, als ich mit Blitz auf der Sugarfoot-Ranch zu Gast bin, mit deren Besitzer wir befreundet sind. Seit über einer Woche machen wir dort Ferien, denn wir haben schwere Rennen auf der Hialeah-Park-Bahn hinter uns. Mein Partner und Trainer, Henry Dailey, ist für ein paar Tage nach New York gefahren, um dort das Training von mehreren Zweijährigen aus unserer Zucht zu überwachen. In ungefähr einer Woche wird er zurückkehren, um ebenfalls neue Kräfte zu sammeln.«
»Aha, ich verstehe«, sagte der Hauptmann, und seine Augen waren wieder hart und kalt. »Demnach sind Sie gegenwärtig doch allein mit Ihrem Pferd...«
Alec fühlte das Unbehagen erneut in sich aufsteigen. Was ging es de Villa eigentlich an, ob er allein hier war oder mit seinem Freund? Wenn er am Nachmittag nicht zur Ranch zurückkehrte, würde ihn sein Gastgeber vermissen und herauszufinden suchen, wo er geblieben war. Nun, was für Hintergedanken der Hauptmann auch haben mochte, Alec wollte nicht wieder das Mißtrauen in sich aufkommen lassen. Er redete im Plauderton weiter, denn er würde das Ganze hier ohnehin bald überstanden haben. Sowie es die Höflichkeit zuließ, wollte er aufbrechen. »Sie haben schon recht«, nahm er den Faden von vorhin wieder auf, »das Rennreiten ist harte Arbeit! Die meiste Zeit des Jahres sind wir von einer Rennbahn zur anderen unterwegs. In gewisser Beziehung geht es uns wie Ihnen mit Ihren Zirkusengagements.«
De Villa nickte. »Stimmt! Beide Arten des Pferdesports sind keine Aufgabe für furchtsame Leute.«
»An Furcht habe ich dabei noch gar nicht gedacht! Aber selbstverständlich, wenn Sie in ein Rennen gehen wollen wie eine zimperliche Dame, dann bleiben Sie besser zu Hause!«
»Im Zirkusleben hat Zaghaftigkeit ebenfalls keinen Platz«, nahm der Hauptmann wieder das Wort. »Vielleicht interessiert es Sie, die alten Drucke anzusehen, die ich in meiner Sammlung habe.« Er ging zu einem Koffer, der neben dem Kamin stand, und entnahm ihm eine dicke Mappe. Sie enthielt alte Bilder, auf denen Pferde und Reiter zu sehen waren,
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