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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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einem durch und durch abergläubischen Volk angehörte und ihm schon am hellen Tag geistig zerrüttet vorgekommen war. Die Gefahren, die ihm und seinem Pferd drohten, waren allein die der nächtlichen Sumpfwildnis — nichts anderes.
    Er beugte sich über den Liegenden. »Können Sie mich hören?« fragte er sanft, als spräche er zu einem kranken Kind.
    Mit großer Anstrengung setzte sich de Villa auf. Sein Oberkörper schwankte vor und zurück, die starren Augen blieben an Alec haften.
    »Soll ich Ihnen helfen?« fragte Alec und versuchte, ihn auf die Füße zu bringen. Der Hauptmann stieß ihn weg und blieb, wo er war. Das schwarze Haar hing ihm wirr ins Gesicht, sein Oberkörper schwankte immer noch.
    Alec überlegte, daß er den schweren Mann auf keinen Fall von der Stelle bewegen konnte. Er hegte keinen Zweifel, daß de Villa glaubte, Kowi in eigener Gestalt gesehen zu haben; denn nichts anderes hätte ihn in einem derartigen Maß körperlich brechen und geistig zerstören können. »Ich werde Hilfe holen. Hören Sie mich, Herr Hauptmann? Verstehen Sie mich?«
    Alec wartete auf ein Kopfnicken oder irgendein anderes schwaches Zeichen, das ihm bestätigte, verstanden worden zu sein. Statt dessen lächelte de Villa verloren und ergeben wie einer, der weiß, daß nichts sein schreckliches Ende aufhalten kann.
    Alec fröstelte vor Entsetzen und Mitleid. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Blitz so rasch wie möglich zu finden und dann Hilfe zu holen. Das war die einzige vernünftige Lösung!
    »Bleiben Sie hier«, sagte er freundlich. »Ich komme, so schnell ich kann, zurück. Haben Sie Geduld, wenn es lange dauert. Warten Sie auf mich, ich komme bestimmt!« Er war nicht sicher, ob de Villa ihn verstand; es änderte auch nichts an seinem Entschluß.
    Er rannte um den Tümpel herum. Irgendwo hörte er in der Dunkelheit einen knarrenden Laut, gleich darauf kräuselte sich das Wasser: ein Alligator lauerte dort! Doch Alec hatte ohnehin nicht die Absicht gehabt, durch das Wasser zu waten, um den Kanal auf der anderen Seite zu erreichen, sondern er lief am Rand entlang auf die stattliche Eiche zu, die er erklettern wollte.
    Als er sich dem Dickicht der Kohlpalmen näherte, raschelte etwas in den Wedeln. Ein Vogel oder irgendein anderes Tier, sagte er sich. Auf jeden Fall etwas Natürliches. Er ging langsam und vorsichtig weiter und war froh, daß der Mond schien, denn die Helligkeit bewahrte ihn davor, auf eine Giftschlange zu treten.
    Aus einem nahen Zwergpalmengesträuch kam ein knatterndes Geräusch; er schrak zusammen und blieb stehen. Doch er sah nichts. Es mochte ein Tier sein, das er aufgestört hatte. Er setzte seinen Weg fort. Vorsichtig umging er Bäume und Mangrovenbüsche. Nach einer Weile ließ ihn wieder ein Laut zusammenfahren; diesmal war es das monotone Pfeifen, das er nur allzugut kannte. Es kam bald aus dieser, bald aus jener Richtung. Sein Herz begann zu hämmern.
    »Es ist ein Nachtvogel!« sagte er laut. »Geh weiter!« Ein paarmal wiederholte sich der Ton noch, dann erstarb er. Alec schritt rascher aus, ohne den Urheber des Pfeifens zu suchen. Vielleicht spielten ihm seine Ohren nur einen Streich.
    Wieder kam das Pfeifen, diesmal hinter ihm. Es schwoll zu unheimlicher Schrille an. Alecs Gesicht zuckte, er biß die Zähne zusammen, fest entschlossen, seinen Weg unbeirrt fortzusetzen und nicht rückwärts zu blicken. Was war Wirklichkeit, was Spuk?
    Das Pfeifen hielt an und schien von allen Seiten auf ihn zuzukommen. Er blieb nun doch stehen und hielt sich mit den Händen die Ohren zu. Seine Augen suchten die Bäume ab, aber wie erwartet sah er nichts, gar nichts. Was verursachte den infernalischen Lärm? Er hallte von allen Seiten, anschwellend und triumphierend, beharrlich, wogend und fallend, von fern und doch ganz nahe, als ob Alec angelockt werden sollte — wohin? Hatte er sich nun doch von de Villas Wahnsinn anstecken lassen? Zornig nahm er die Hände von den Ohren. »Ich höre nichts!« sagte er laut und trotzig, »überhaupt nichts!« Er rannte los und schlug wütend die langen geisterhaften Bartflechten auseinander, die von den Bäumen herabhingen. Als er den Stamm der großen Eiche erreichte, wurde ihm bewußt, daß die Nacht wieder still war, als hätte kein gespenstisches Pfeifen sie gestört. Energisch schob er alles beiseite, nahm einen Anlauf, zog sich am untersten Ast in die Höhe und kletterte schnell von Ast zu Ast weiter. Beim Klettern gewann er seine ruhige Überlegung zurück.

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