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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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Aus den obersten Zweigen konnte er mühelos über die niedrigen Palmen hinwegsehen. Systematisch prüfte er die Kanäle, die von hier oben wie kleine Gänge im Sägegras wirkten. Wenn sich eine Wolke vor den Mond schob, wartete er ungeduldig, bis die Sicht wieder frei war.
    Endlich entdeckte er in einem gar nicht so weit entfernten Graben etwas, das sich langsam vorwärtsbewegte. »Blitz!« schrie er aus voller Lungenkraft.
    Wie zu Stein erstarrt, verharrte die Silhouette des schwarzen Hengstes am Ausgang des kleinen Kanals, als ihn der Ruf seines Herrn erreichte.
    Alec kletterte hinunter, so schnell es ging. Auf halber Höhe hörte er plötzlich über sich in der Krone ein tierhaftes Winseln. Es kam so überraschend, daß er vor Schreck innehielt und sich an den Ast klammerte, den seine Hände gerade gefaßt hatten. Was für Tiere erklettern Bäume? War es ein Waschbär? Ein Opossum?
    Das Wimmern klang anfangs ganz leise, wuchs dann aber an, bis es die Luft mit einem rührenden Schluchzen erschütterte. Es klang, als ob ein unglückliches Kind klagte. Alec erkannte, daß kein Tier diesen menschlich scheinenden Laut hervorbringen konnte. Spielte ihm seine Phantasie wieder einen Streich? Hatte er Halluzinationen? Er starrte in die Dunkelheit, und Grauen erfüllte ihn. Er hörte das Wimmern, es war wirklich!
    So plötzlich, wie es begonnen hatte, brach es ab, und lange Stille folgte. Alec entschloß sich, weiter hinabzuklettern und loszurennen, um zu seinem Pferd zu gelangen. An Blitz’ Seite würde er den Mut wiederfinden.
    Als ihn nur noch ein paar Meter vom Erdboden trennten, sah er plötzlich in den dichtbelaubten Zweigen über sich eine Bewegung Er klammerte sich fest, wo er gerade war, und starrte hinauf. Er erblickte eine verschwommene Gestalt, kein Tier, sondern menschlichen Umrissen ähnlich, wenn auch grotesk verzerrt. Wie ein Lichtstrahl hinter Nebel verschwand es gleich darauf, und nun hob das Wimmern wieder an, noch höher, noch jämmerlicher, noch verzweifelter.
    Die klagenden Töne und die verschwommene Gestalt, die er gesehen hatte, versetzten Alec in Panik; er rutschte und glitt schneller abwärts, als sich seine Hände an die Zweige anklammern konnten Nur weg! war sein einziger Gedanke. Plötzlich fanden seine Füße keinen Halt mehr, er stürzte, schlug hart auf den Boden, wälzte sich herum und raffte sich auf. Ohne sich umzusehen, rannte er ins Gebüsch; sein klares Denken war ausgelöscht durch die undeutbare Erscheinung in den Zweigen. Entsetzen schüttelte ihn.
    Kopflos lief er durch die Baumgruppen, über Marschboden und durch Wasserlachen, ohne an die Gefahren zu denken, die hier lauern mochten. Etwas Schrecklicheres als das soeben Geschaute konnte es nicht geben! Er wünschte sich, eins zu werden mit der Dunkelheit, um von der geisterhaften Erscheinung nicht gefunden und eingeholt zu werden. Mehrmals stolperte er und stürzte, das scharfe Sägegras zerschnitt ihm die Haut; er merkte es kaum. Es gab kein Entrinnen, das Wimmern erscholl aus jeder Richtung, wohin er sich auch wandte.
    Eine Woge des Grauens schlug über ihm zusammen. In einem ausgetrockneten Graben rutschte er aus und fiel hin. Keuchend blieb er liegen. Wenn nur das Wimmern endlich aufhörte, das ihn zum Wahnsinn trieb! Er war sicher, daß ihn im nächsten Augenblick ein furchtbarer Tod ereilen würde.
    Endlich verstummte das Jammern, die Nacht wurde still. Er wagte es, sich vorsichtig aufzurichten und umherzublicken. Er sah und hörte nichts, also war ihm die dämonische Gestalt nicht gefolgt. Er lebte!
    Die Angst, das Wimmern könnte wieder beginnen, bannte ihn noch geraume Zeit an die Stelle, wo er hingefallen war. Schließlich raffte er sich taumelnd auf und tappte in dem Graben weiter, denn er hatte einen klaren Gedanken gefaßt: Er mußte Blitz endlich finden!
    Als der Wasserlauf scharf abbog, spürte Alec, daß irgend etwas ganz dicht neben ihm war. Mit eiserner Willenskraft zwang er sich, weiterzugehen; sein Gesicht zuckte, und seine Zähne bissen knirschend aufeinander — auf keinen Fall wollte er blindlings davonlaufen.
    Ein phosphoreszierender Schatten glitt über das Sägegras und war gleich darauf verschwunden. Alec hätte gern geglaubt, daß es eine Nebelschwade gewesen sei, doch war er überzeugt, daß es sich um eine Erscheinung handelte. Gespannt lauschte er auf einen Laut von seinem Pferd, aber er vernahm kein Rascheln, kein Wiehern, keinen Huftritt.
    Er hörte ein Plätschern an einer Stelle, wo sich gar kein

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