Blitz in Gefahr
Wasser befand; ein leises Huschen im Sägegras folgte. Seine Augen durchforschten die Dunkelheit. Undefinierbare Gebilde wogten und flatterten da und dort. Ärgerlich über sich selbst schüttelte er den Kopf; er erfand Bilder und Gestalten, wo es nichts gab als Gebüsch und Sägegras! Es war so weit mit ihm gekommen, daß er der übernatürlichen Welt, an deren Vorhandensein der Hauptmann ihn hatte glauben machen wollen, nicht mehr entkam!
Jetzt gellte ein Ton aus der Nähe in seine Ohren. Ein Kälteschauer rann ihm über den Rücken, vielmehr ein Angstschauer, denn mit Temperatur und Wetter hatte das nichts zu tun. Von einem Dutzend verschiedener Stellen im Sägegras widerhallte der Ton und wurde zum endlos kreischenden Schrei nackter Verzweiflung. Alecs Kopf schien zu platzen von dem teuflischen Kreischen, aber er war unfähig, sich zu bewegen und davonzulaufen. Es schien ihn festzuhalten, als ob es eine Masse wäre, die ihn angesaugt hatte. Das alles konnte nicht wirklich sein, sagte er sich, und doch hörte er es — es war kein Alptraum! Die Gefahr lauerte unmittelbar vor und neben ihm; auch den entsetzlichen Geruch, der ihm im Traum Übelkeit verursacht hatte, nahm er wahr. Er rührte nicht vom Sumpf her, sondern von Tod und Verwesung.
Keine Bewegung im Sägegras deutete auf den Urheber des Jammerns hin. Alec wollte nicht glauben, daß es von einem Menschen stammte, dazu war es zu wild, zu böse. Dennoch schien es ihm, als hörte er zwei Silben heraus, die sich ständig wiederholten: »Ko-wi...Ko-wi...« Gerade als er sich eingestand, daß er diesen Namen vernahm, erblickte er ringsum tanzende Fratzen, Glieder und Körperteile, ganz ähnlich wie auf der uralten Zeichnung de Villas.
Er erschrak vor Kowis Bild, wie es die Vorfahren des Hauptmanns gesehen hatten. Es war gräßlich und ließ eigentlich nur eine Möglichkeit offen, nämlich die Flucht. Aber Alec war wie gelähmt und außerstande, zu laufen.
Urplötzlich brach das Jammern ab, die Nacht war wieder still und friedlich. Alec bemühte sich, der Verwirrung und Unordnung Herr zu werden, die in seinem Kopf herrschten. Es gab keine Ungeheuer, außer in seiner Vorstellung. Es gab keine Schrecknisse, außer denen, in die er sich durch seine aufgeputschten Nerven selbst versetzt hatte.
Als Tatsache mußte gelten, daß rings um ihn im Sägegras etwas Unbekanntes war. Wahrscheinlich machte es sich früher oder später wieder bemerkbar. Mit dieser Möglichkeit hatte er zu rechnen, aber er durfte sich im Ernstfall nicht mehr in blinde Angst jagen lassen. Es galt, nüchtern und vernünftig zu bleiben und dem Unbegreiflichen nicht zu verfallen, sonst erging es ihm wie dem Hauptmann, den es in geistige Umnachtung getrieben hatte.
Und da kam es wieder; wie glimmender, rauchförmiger Nebel schmiegte es sich an die Spitzen des Sägegrases und wechselte die Farbe von Grau zu durchscheinendem Gold.
Alec konnte die Augen von der Erscheinung nicht abwenden. Sie blieb nur wenige Minuten an derselben Stelle, dann wurde sie größer und schwebte über dem Sägegras auf ihn zu. Sie mußte durchsichtig sein, denn er glaubte die Büsche und Gräser hinter ihr zu erkennen. Wallend und wogend, in anmutigen Wellenlinien näherte sie sich, und Alec empfand merkwürdigerweise auf einmal keine Angst davor. Es überraschte ihn auch nicht, daß er die Erscheinung als etwas Wirkliches gelten ließ, als ob in seinem Hirn eine Tür aufgegangen wäre, so daß er endlich wieder klar zu sehen und zu denken vermochte.
Der schimmernde Nebel war so wirklich wie der Sumpf ringsum. Er hatte keine vorgefaßte Meinung mehr, was es sein könnte und was nicht, er nahm es einfach als gegeben hin, einerlei, ob es sich verstandesmäßig erklären ließ oder nicht. Jedenfalls war es keine Vision, die ihm sein Unbewußtes vorgaukelte, sondern er nahm es mit eigenen Augen wahr.
Er beobachtete, wie es auf ihn zuglitt, durchscheinend und offenbar lebendig. Es war substanzlos, ein dünner, rauchähnlicher Schleier, hatte weder menschliche noch tierische Kennzeichen. Es wirkte so hauchzart, daß es sich jede Sekunde in Nichts auflösen konnte, und dies mochte wohl einer der Gründe sein, warum Alec sich nicht davor fürchtete. Er sagte sich, daß er nicht der erste war, der etwas Fremdartiges, Unerklärliches erblickte. Von jeher hatte es Erscheinungen gegeben, gestaltet oder ohne feste Umrisse, die längere Zeit verweilten oder vorüberhuschten.
Inzwischen vergrößerte sich diese Erscheinung, hielt
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