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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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den Vorderhufen auf die Erde kam, als sie die gegenüberliegende Seite der Manege erreichte. Wiederum wurde die Musik ganz leise, nur die Pfeiftöne der Flöte waren zu hören. Sie wurden lauter und schriller, als sollte gleich etwas Furchtbares geschehen. Sie füllten den dunklen Raum, und Henry glaubte, sie drängten hinaus in die Außenwelt der Bäume, der Sterne und der fernen Einsamkeit. Er schüttelte den Kopf, um sich von dieser seltsamen Vorstellung zu befreien. Die Töne stammten von einer Flöte! sagte er sich ärgerlich. Sie waren unheilvoll, und doch erzeugten sie ein Gefühl erregender Herausforderung. Er wünschte ihr Ende herbei. Er fühlte Verdruß in sich aufsteigen; er haßte alles Dunkle, Verschwommene, Unverständliche.
    Während all dieser Überlegungen folgten seine Augen gebannt der Stute in der Manege. Sie schien vor den schneller und schriller werdenden Flötentönen zu fliehen. Zum erstenmal bemerkte Henry, daß ihre Ohren zuckten und die Nüstern bebten. Plötzlich sprang sie mit gestreckten Vorder- und Hinterbeinen in die Luft, so daß sie zu fliegen schien. Henry erkannte, daß diese Stute fast einem geflügelten Roß, dem sagenhaften Pegasus, gleichkam.
    Als die Lichter langsam angingen, applaudierte er laut und stürmisch. Eine solche Vollkommenheit war einmalig! Die Stute stand jetzt majestätisch still in der Mitte der Manege und empfing die Huldigungen der Zuschauer. Die Musik schwieg, und Henry vergaß alles außer dem Vergnügen am Anblick eines hervorragend abgerichteten Pferdes. »Bravo, bravo!« rief er ein übers andere Mal und klatschte noch lauter als die übrigen begeisterten Zuschauer.
    Das Licht wurde noch einmal dämmerig, während sich der rote Vorhang hinter der Manege öffnete. Im Nu war Silberfee fort — wirklich wie ein Geist, dachte Henry. Er klatschte noch heftiger, weil er hoffte, sie würde für eine Zugabe zurückkehren; aber er wurde enttäuscht. Der rotbefrackte Stallmeister erschien und kündigte die nächste Nummer an. Henry drehte sich um und stellte fest, daß Alec nicht mehr da war. Er lief zur Treppe, da er wußte, daß er Alec bei der Stute im Stall finden würde.
    Ein Türhüter versuchte gerade, Alec vom Betreten der Tierställe abzuhalten, aber Alec wich ihm aus und rannte weiter, fest entschlossen, die silberweiße Stute zu finden.
    Im Stalltrakt herrschte ein schlimmes Gedränge von Artisten und Tieren; Alec blieb stehen, weil er nicht wußte, welche Richtung er einschlagen sollte. Mit den Augen suchte er die langen Stallgänge ab in der Hoffnung, die Unterkunft der Stute zu entdecken. Schließlich hielt er einen vorübereilenden Jongleur fest. »Können Sie mir wohl sagen, wo das Geisterroß zu finden ist?« fragte er mit erhobener Stimme, um den Lärm ringsum zu übertönen.
    Der Jongleur, der ein Seidenhemd trug, zuckte die Schultern und lächelte freundlich. »No inglés«, sagte er. »Habla español, señor?« Alec ließ ihn wortlos stehen und lief in den ersten Gang zwischen den Ställen. Im Laufen erblickte er flüchtig Henry, der, einen Wärter abwehrend, ihm folgte. Er verlangsamte die Schritte, als er zu einer langen Reihe wunderbar zusammenpassender dunkler Füchse gelangte, die soeben für ihren Auftritt bereitgemacht wurden. Während ihnen die Pferdeburschen einen Kopfschmuck aus Federn und mit blitzenden Steinen besetztes Zaumzeug anlegten, stand ein kleiner Herr in dunklem Abendanzug, eine lange Peitsche in der Hand, wartend daneben.
    An ihn wandte sich Alec. »Ich suche das Geisterroß«, sagte er und hoffte, daß dieser Pferdedresseur Englisch sprach und ihm weiter helfen konnte.
    »So?« sagte der Mann gedehnt und sah ihn forschend an, »die Stute steht dort drüben in dem Einzelstall. Was wünschen Sie? Was kann ich für Sie tun?« Trotz seiner Höflichkeit verrieten seine Augen seine Verärgerung über die Störung durch einen Fremden.
    Alec lief hinüber zu dem bezeichneten Stall. Er fand die Stute, der ein Stallbursche das naßgeschwitzte Fell abrieb. Er blieb bewegungslos stehen und starrte sie an. Was hatte er sich eigentlich erhofft? Dachte er, sein scheußlicher Alptraum würde ein versöhnliches Ende haben, wenn er sie noch einmal sehen konnte?
    Schließlich wandte er sich dem Mann zu, der hinter ihm hergekommen war. »Wo haben Sie sie her?« fragte er.
    »Wo ich sie herhabe?« wiederholte der Mann, der seinen Arger nicht mehr verbarg. »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Sie gehört Ihnen nicht«, sagte Alec scharf. »Auf

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