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Blitz in Gefahr

Blitz in Gefahr

Titel: Blitz in Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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Glauben zu schenken! Henry entschied, daß er Alec am meisten nütze, wenn er ihm gegenüber Geduld und Nachsicht walten ließ. Die Zeit würde alles heilen.
    Der Zug donnerte durch den Tunnel unter dem East River; die Räder quietschten und knirschten bei der schnellen Fahrt. Henry wußte nichts zu sagen und schwieg gedankenverloren. Vielleicht führte dieses Unternehmen zu nichts; sie würden eine Pferdenummer mehr unter vielen sehen, weiter nichts. Aber vielleicht lohnte sich der Versuch. Offensichtlich bedeutete die silberweiße Stute Alec sehr viel.
    Der Zug fuhr in den Bahnhof der 34. Straße ein. Sie stiegen aus, gingen durch die belebte Straße und bogen kurz darauf in die verhältnismäßig stille Zufahrt zum Madison Square Garden ein. Die Vorstellung war etwa zur Hälfte vorbei; nur wenige späte Besucher wie Henry und Alec kauften Eintrittskarten und suchten sich den Weg zu ihren Sitzen.
    Alec beeilte sich, nachdem er mit einem Blick auf seine Uhr festgestellt hatte, daß es schon nach vier war. Ein Platzanweiser wollte sein Billett sehen, aber er lief hastig an ihm vorüber, ohne es vorzuzeigen; er wollte nur schnell zu einem Seitengang gelangen, von dem aus er die mittlere Manege überblicken konnte. Plötzlich drang ein bestimmter Ton an sein Ohr; er blieb wie angewurzelt stehen, so daß Henry, der ihm rasch gefolgt war, gegen ihn prallte und eine Verwünschung murmelte. Doch der Junge hörte nur die Musik, die aus der verdunkelten Manege heraufklang, und die er so gut kannte. Er war darauf gefaßt, Silberfee wiederzusehen, an die Musik hatte er nicht gedacht. Sie ließ ihm das Blut in den Adern erstarren. Er schauderte in der Dunkelheit, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er befand sich wieder im Sumpf, und es war, als hätte er ihn nie verlassen.
    »Was ist denn, Alec?« fragte Henry und ging in dem gedämpft erhellten Seitengang weiter.
    Er erhielt keine Antwort. Alec starrte regungslos in die Manege, wo im Licht eines Scheinwerfers ein schönes silberweißes Pferd anmutig im Spanischen Schritt an der Bande entlangtrabte.
    Henry kam es vor, als ob die Luft plötzlich stickig geworden wäre. Seine Haut, die den ganzen Tag Wind und Regen ausgesetzt gewesen war, prickelte in der Wärme des riesigen Raumes.
    Er lauschte der eigenartigen Musik, während er den Vorführungen der Stute zusah. Er wurde erregt, denn er erkannte sie wieder nach den genauen Schilderungen, die ihm Alec gegeben hatte. Im Augenblick berührte es ihn nicht, daß dies ein Glied in der Kette von Alecs unglaubwürdiger Geschichte war, wodurch sie glaubwürdig wurde. Er sah jetzt nur die Schönheit des silberweißen Pferdes, hörte nur die seltsame Musik. Sie packte ihn, wie jeder Zuschauer in der verdunkelten Halle — dessen war er sicher — gepackt werden mußte.
    Kein Zweifel, er sah eine ungewöhnliche Dressurleistung. Silberfee trug keinen Sattel, kein Zaumzeug, keinerlei Schmuck; sie vollführte ihre Figuren fehlerlos, wie von unsichtbarer Hand gelenkt. Woher bekam sie ihre Zeichen, wenn sie von einer Figur zur anderen überging? Ihm fiel ein, daß Alec gesagt hatte, sie wäre auf den Wechsel bestimmter Tonfolgen dressiert.
    Henry hörte die merkwürdigen Pfeiftöne, die kamen und gingen, manchmal in träumerischer Langsamkeit, dann wieder lebhaft, beinahe häßlich schrill und monoton. Henry strich sich über die Stirn. Er war verwirrt; diese ungewöhnlichen Töne erzeugten in ihm das Gefühl, als wäre das Phantastischste möglich.
    Da er ja selbst von Jugend auf mit Pferden umgegangen war, konnte er ermessen, welches Können von Ausbilder und Pferd eine so vollendete Dressur voraussetzte. Atemlos verfolgte er Silberfees Schritte und Sprünge; etwas Schöneres und Vollendeteres, ja, etwas Märchenhafteres hatte er noch nie gesehen. Er wußte wenig von der edlen Kunst des Dressurreitens, aber man mußte kein Kenner sein, um von der Vollkommenheit hingerissen zu werden.
    Nach einem lauten Beckenschlag wurde die Musik leiser, bis sie kaum noch wahrnehmbar war. Ein sonderbares Gefühl überkam Henry; ihm war, als sänke er in eine tiefe Leere hinab, und das mißfiel ihm. Endlich schwollen die Töne wieder an. Er war froh, daß die Beckenschläge die verwirrenden Pfeiftöne verdrängten. Ein Trommelwirbel erklang, die Stute setzte sich auf die Hanken und winkelte aufgerichtet die Vorderbeine an. In dieser schwierigen Pose verharrte sie mehrere Sekunden, bevor sie auf den Hinterbeinen einige Sprünge ausführte und erst mit

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