Blitz und der Brandfuchs
Als sich seine mit äußerster Kraft rennenden Stuten der großen Herde näherten, schrie Blitz wieder mit flammenden Augen.
Die jungen Hengste der Wildherde kamen den neuen Stuten entgegen, um sie in ihren Kreis zu holen. Blitz trieb sie in vollem Lauf voran; dann hefteten sich seine blitzenden Augen auf den roten Widersacher, der sich gerade auf die neuen Stuten zubewegen wollte.
In diesem Moment stieß Blitz sein schrillstes Wiehern aus. Aber es war kein Angriffssignal. Er wandte sich von den Stuten weg, weil ihm der Wind die Witterung, die sein seltsames Benehmen verursacht hatte, nun mit voller Stärke zutrug. Aus Süden kam sie! Blitz galoppierte um die Herde herum, seine Hufe flogen nur so über den Boden.
Er sah sich nicht um nach den jungen Hengsten, die seine Stuten in ihre Mitte nahmen, noch suchten seine blitzenden Augen den roten Herrscher. Ihm genügte es, daß er ungestört in der Richtung rennen konnte, aus der die überwältigende Witterung kam.
Durch das mannshohe Zuckerrohr brach er, ohne zu zögern, erreichte den dunklen, engen Durchgang durch den Felswall, der die Insel einfriedete, und mußte hier sein Tempo mäßigen. Über hundert Meter strebten die Bergwände zu Seiten des Tunnels in die Höhe, traten dann weiter auseinander und formten eine Schlucht. Hier war der Boden weich und nicht mehr von Geröll übersät.
Blitz trabte weiter, atmete die Luft tief ein, und seine Erregung stieg. Er wieherte laut und schrill, einmal, zweimal, rannte ein Stück weiter, wieherte erneut, schrie, bis die Felswände widerhallten von der großen Sehnsucht, die ihn übermannt hatte, von der großen Sehnsucht nach dem Menschen, den er liebte...
Die Inselfestung
Die kleine Barkasse Nachteule lag vor der Landzunge, die sich im Süden von der Insel Azul ins Meer hinaus erstreckte. Der Schiffer am Steuer sagte: „Wenn Sie es wünschen, werden wir hier an Land gehen, Boß; nur meine ich, Sie können hier vom Schiff aus alles genauso gut übersehen.“
Alec und Henry standen neben ihm. Beider Augen suchten die Landzunge nach einem Zeichen ihres Rappen ab. Wie der Schiffer gesagt hatte, war außer der Landzunge und den gelben Felswänden von der Insel Azul nicht viel zu sehen. Von hier aus schien das Eiland aus nichts anderem zu bestehen.
Alecs suchender Blick wanderte über das von Wind umtoste Riff, das steil himmelan stieg und in der Höhe eine Kuppel bildete, die in den Strahlen der sinkenden Sonne glänzte. „Felsen, nichts als Felsen“, murmelte er vor sich hin.
Der Schiffer hatte es gehört. „Neun Meilen lang“, bemerkte er, indem er seinen breitrandigen Hut zum Schutz vor der Sonne weiter herunterzog, „und zu nichts nütze.“
Henry zeigte auf die schmale Landebrücke, die von der Landzunge ins Wasser führte. „Warum hat man hier eine Anlegerbrücke gebaut, wenn die ganze Insel nur aus massivem Fels besteht?“
„Nur für eine Landung im Notfall. Eine Zeitlang wurden hier ein paar Pferde gehalten.“
„Pferde?“ fragte Alec überrascht.
Der Schiffer entblößte lachend sein kräftiges weißes Gebiß. „Ja, wenn man sie so nennen will“, sagte er abfällig. „Klein und kümmerlich waren sie. Wie sollten sie auch anders gewesen sein, auf dem Stück Fels und Sand fanden sie nur kümmerliches Futter. Ein Wunder, daß sie überhaupt am Leben blieben.“
Henrys Blick glitt über den nackten Fels.
„Gibt es denn hier einen Flecken Weideland?“ fragte er zweifelnd.
„Doch, doch, weiter drinnen, am Fuß der Berge. Das Gras soll spärlich sein, aber nahrhaft, weil es jedes bißchen Feuchtigkeit aus dem Boden zieht.“
„Demnach muß auch Süßwasser vorhanden sein“, sagte Alec nachdenklich.
„Genügend, um die Tiere am Leben zu halten.“
„Aus welchem Grund wurden denn die Pferde hierher gebracht?“
„Es handelte sich um einen Plan der damaligen Regierung. Besser gesagt, die Regierung kümmerte sich eine Weile um die Pferde.“ Das Boot wiegte sich sanft auf den Wellen. Der Schiffer fuhr fort: „Die Sache liegt einige Jahrhunderte zurück, um genau zu sein bis zum Jahr 1669. Unsere Lokalzeitung hat einmal einen Artikel darüber gebracht. Damals soll unsere Insel Antago von den Spaniern erobert worden sein.“
„Sie meinen, von den Konquistadoren?“ fragte Alec, „von Männern wie Cortez, Pizarro, Balboa?“
„Ich glaube ja!“ Der Schiffer sah versonnen aufs Meer hinaus, ehe er weitersprach: „Antago lag für sie nahe genug bei Südamerika, um ihnen als
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