Blitz und Vulkan
gefaßt, was er unternehmen konnte.
„Er muß sich an das Kommen und Gehen vor seinem Stall gewöhnen“, sagte Henry. „Einige Stunden am Tag sind genug, bis wir das Gefühl haben, daß es möglich ist, ihn herauszunehmen.“
Blitz’ Zorn auf die anderen Hengste ließ jedoch nicht nach; sein schrilles, herausforderndes Wiehern ertönte immer wieder, selbst hinter der ganz geschlossenen Tür.
Genau eine Woche vor dem großen Rennen stand Alec neben Henry am Außenzaun der Rennbahn, um Lenny Sansone zuzusehen, der Vulkan trainierte. Cavaliere und Avenger arbeiteten zu gleicher Zeit. Als Vulkan die Gerade entlanggaloppierte, hatte Henry seine Stoppuhr eingestellt. Der gewaltige Rappe flog nahe am Innenzaun mit donnernden Hufen in den oberen Bogen. Sansone ließ ihn in vollem Renngalopp laufen. Er hatte die Ohren flach an den Kopf gelegt, als er an Henry und Alec vorbeisauste. Henry blickte ihm mit dem stolz leuchtenden Blick des Trainers nach, der sich an der Entwicklung dieses Wunderpferdes mit Recht den entscheidenden Anteil zuschreiben durfte. Er drückte den Knopf der Uhr und las die Zeit ab. „Er ist fit! Die anderen werden sich gewaltig anstrengen müssen, wenn sie ihn schlagen wollen!“
„Wie war seine Zeit?“
„Dreiundvierzig Sekunden für 700 Meter!“
„Genau wie Blitz neulich“, erinnerte Alec den Trainer. „Ich weiß“, nickte Henry, „aber was nützt uns seine Schnelligkeit, wenn wir ihn hinter Schloß und Riegel halten müssen?“
Cavaliere galoppierte gerade vorüber. Sie beobachteten den stattlichen Gewinner des italienischen Derbys mit Spannung, als ihn sein Reiter auf der Geraden loslegen ließ.
„Sein raumgreifender Galopp ähnelt dem Vulkans sehr“, bemerkte Alec.
„Das schon“, stimmte Henry zu, „aber dort oben läuft der einzige, der uns gefährlich werden könnte. Den sieh dir an, Alec!“ Er zeigte auf Avenger, der die Gerade entlanggefegt kam. „Rund und etwas mollig“, fuhr Henry fort, „aber er läuft wie der Wind. Sieh nur dieses Gangwerk. Das hat ihm dieses Jahr den Sieg im Irischen und im Französischen Derby eingetragen.“
Avenger galoppierte in so mühelosen weiten Sprüngen, wie man sie von ihm bei seiner Zierlichkeit niemals erwartet haben würde. Er flog über die Bahn; es schien, als berührten seine Hufe kaum den Boden.
„Er besitzt die Gleichmäßigkeit eines Gewinners“, stellte Henry begeistert fest. „Er macht nicht eine unnötige Bewegung, Alec. Ich muß Lenny sagen, daß er ihn dauernd im Auge behält. Er ist die Sorte Pferd, die an dir vorbeiflitzt, ohne daß du es merkst.“
Alec sah Henry an. „Alles gut und schön. Aber die wichtigste Frage ist, was wir nun mit Blitz machen? Wir können ihn ja nicht dauernd im Stall lassen. Es ist nicht fair ihm gegenüber; er muß Bewegung haben. Wir müssen uns zu irgend etwas entschließen.“
„Ja, und was sollen wir deiner Meinung nach tun?“ gab Henry zurück.
„Ich weiß es selbst nicht. Manchmal denke ich, er macht bloß Lärm, und er würde gar nicht raufen, wenn wir ihn herausnähmen. Es ist doch hier völlig neu für ihn, und seine Erregung ist infolgedessen nur natürlich.“
„Daran habe ich auch schon gedacht, Alec. Aber wir können uns beide irren...“
„Oder recht haben. Alles war in Ordnung, bis die anderen kamen.“
„Aber das ist es ja gerade, Alec: bis die anderen kamen. Und sie sind noch hier.“
„Stimmt alles“, erwiderte Alec. „Vielleicht bessert er sich aber, wenn wir ihm die Chance geben, seinen Zorn zu vergessen... Er müßte wieder einmal laufen dürfen, gegen die anderen.“ Er machte eine Pause und setzte dann hinzu: „Hernach wüßten wir endgültig, woran wir sind, Henry. Sind wir völlig sicher, daß es doch nichts wird, so sollten wir ihn sogleich wegbringen.“
„Willst du damit sagen, daß wir dann alles getan hätten, was auch Scheich Abu hätte tun können, wenn wir den Versuch wagen?“
„Ja, Henry, das meine ich.“
Lenny Sansone brachte gerade Vulkan herein. Sie sahen ihm entgegen. „Hat er für heute genug?“ rief Lenny.
Henry nickte und wandte sich wieder zu Alec um: „Dann wollen wir ihn jetzt gleich vornehmen“, sagte er ruhig.
„Tatsächlich, Henry?“ fragte Alec aufgeregt.
„Jawohl! Du wolltest es doch, oder nicht?“ antwortete der Trainer und ging auf die Ställe zu.
Auf dem Weg dorthin liefen sie Jim Neville in die Arme. „Ich bin erst heute morgen angekommen“, sagte er nach einer kurzen Begrüßung. „Was höre
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