Blitz wird herausgefordert
Schwarz
Blitz blieb am nächsten Morgen immer wieder einmal stehen, um den possierlich und flink in den Bäumen spielenden Eichhörnchen zuzusehen.
Alec trieb ihn nicht an, denn langsame Spaziergänge auf den Wegen von Hialeah-Park waren ein wichtiger Bestandteil seines Trainings. Sie milderten auch die Langeweile und Müdigkeit, die jedes Pferd leicht überkommt, wenn es auf einer Rennbahn im Stall stehen muß.
Alec blickte zu der belebten Bahn hinüber. Er hätte gern gewußt, ob Steve mit Feuerstrahl schon dort war. Doch nein, es konnte wohl nicht sein, sonst hätte Henry ihm Bescheid gesagt; er saß in einer Runde alter Freunde und Stoppuhrfanatiker auf einer Bank neben der Bahn.
Bei dem Bericht von seinem Besuch bei Steve am vergangenen Abend hatte Henry wenig Interesse gezeigt. »Wenn die Rennbahnleitung ein solches Pferd hier haben will, ist das ihre Sache«, hatte er erklärt. »Und was ein Zusammenarbeiten mit Blitz betrifft — es ist ja eine öffentliche Bahn! Sollte Feuerstrahl gerade daußen sein, wenn wir trainieren, kann ich ihn nicht davon abhalten, neben dir zu arbeiten.«
Alec klopfte Blitz auf den Hals. Er machte sich keine Sorgen wegen Feuerstrahls Schnelligkeit, denn kein Pferd auf der Welt konnte es mit Blitz aufnehmen. Trotzdem war sich Alec bewußt, daß er nicht der einzige Jockey war, der sein Pferd für unschlagbar hielt. Die meisten Reiter überschätzen ihre Pferde. Jeder Jockey glaubt, er könne mit einem bestimmten Pferd gewinnen. Als sie die Bahn betreten hatten, nahm Alec Blitz an die Außenseite und ließ ihn zum Auflockern in einen leichten Trab fallen.
Alec dachte an die Zeit zurück, als Blitz noch ein völlig unbekanntes, »von hinten« kommendes Pferd war. Viel Rennbahnglück und unerhörte Schnelligkeit waren nötig gewesen, um sich durch große Felder nach vorn zu schieben und zu siegen. Jetzt konnte sich Alec auf jede Situation genau einstellen. Wenn es nötig war, konnte er Blitz früh in Führung gehen lassen oder ihn an jeder beliebigen Stelle placieren, von der aus es für ihn am günstigsten war, den Vorstoß für das Finish zu unternehmen. Das half, ihn aus Schwierigkeiten herauszuhalten, und Schwierigkeiten konnten entscheidend für ein Rennen werden, wie er Steve gestern abend erklärt hatte.
Blitz spitzte die Ohren, als er zwei vor ihm galoppierende Pferde bemerkte. Selbst wenn er bloß bewegt wurde, um sich aufzulockern, hielt er stets Ausschau nach Konkurrenten, die er überholen konnte. Mit hocherhobenem Kopf glitt er zwischen den beiden Pferden durch und lief weiter. Alec ließ ihn gewähren, sprach aber sanft auf ihn ein: »Sachte, sachte, mein Junge!«
Wie lange würde es dauern, bis Steve auftauchte? dachte Alec. Er wußte, welche Gefühle den jungen Menschen beherrschten, weil er all das selber durchgemacht hatte. Steve hatte eben sein erstes Rennen gewonnen, und nichts auf der Welt ließ sich mit dem Gefühl vergleichen, das einen jungen Reiter nach einem solchen Erlebnis überwältigte. Es brannte sich einem ins Gedächtnis, und wenn man später noch so zahlreiche Erfolge einheimsen durfte — nie würde man diese beglückende Erinnerung vergessen. Alec dachte daran, welche Angst er ausgestanden hatte, als er mit Blitz zum erstenmal in ein Rennen ging. Er hatte nicht geglaubt, daß er schon sicher genug im Sattel wäre, und er würde noch im letzten Moment zurückgetreten sein, wenn Henry nicht darauf bestanden hätte, daß er teilnahm. Er war so nervös gewesen, daß er völlig vergessen hatte, seine Schutzbrille über die Augen zu streifen, und es erst bemerkte, als ihm der Schmutz ins Gesicht spritzte. Da hatte er die Augen einfach zugemacht und Blitz sein eigenes Rennen laufen lassen. Er war an den Rivalen vorbeigejagt und hatte gesiegt. Es war ein Tag gewesen, den auch er nie vergessen würde!
Während ihm all das durch den Kopf ging, ließ Alec seinen Hengst, Henrys Weisung gemäß, auf der Hauptbahn an der Außenseite galoppieren. Der alte Trainer hatte ruhig und sicher gesagt: »Wir haben ein Pferd, das den Pokal gewinnen kann, und dafür wollen wir es trainieren.«
Alec stellte immer wieder fest, daß Blitz beim Training brillant vorankam. Er hatte diesmal 1600 Meter leicht hinter sich gebracht, ohne zu ermüden, und das war es, was man anzustreben hatte: Wenn ein Pferd über eine größere Distanz ging, mußte es noch Reserven für das Finish haben.
Blitz ging in die hintere Gerade, und Alec hielt ihn dicht am Außenzaun, um
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