Blitze des Bösen
Schnellbahn-Verbindung
gesammelt hatte, eilte in Vivians Büro und schloß die Tür
hinter sich, bevor ihre Chefin dagegen etwas einwenden
konnte.
»Ich schließe daraus, daß dir mein korrigierter Artikel nicht
gefallen hat«, sagte Vivian mit geübter Beiläufigkeit und
blickte kaum von ihrem Monitor auf, wo sie die Stories für die
morgige Ausgabe überarbeitete.
»Der war nicht korrigiert, sondern verpfuscht«, erwiderte
Anne. »Es war eine gute, ehrliche Story. Und ich mache wieder
dort weiter, wo ich aufgehört habe.« Sie ließ den Stoß Papiere
auf Vivians Schreibtisch fallen und zwang sie dadurch, die
Aufmerksamkeit ihr zuzuwenden.
»Einen Artikel zu entschärfen, den ich nicht verantworten
kann, gehört bekanntlich zu meinen vordringlichsten Aufgaben hier«, begann sie. Aber als sie Anne dann genau ansah,
erstarben ihr die Worte auf den Lippen. »Anne? Bist du okay?
Du siehst aus, als hättest du die ganze Nacht wachgelegen.«
»Da hast du völlig recht«, gab Anne zu. Und sie setzte Vivian sofort ins Bild.
»Deine Katze?« fragte Vivian erschrocken, als Anne ihr von
Kumquat erzählt hatte. »Mein Gott, wer kann so etwas tun?«
Anne schüttelte den Kopf. »In welcher Welt leben wir
eigentlich, wenn die Leute entsetzter darauf reagieren, wenn
man einer Katze etwas angetan hat, als einem Menschen?«
Vivian errötete. »Das habe ich nicht so gemeint…«, begann
sie, ließ sich dann tiefer in den Stuhl sinken und seufzte. »Was
hat die Polizei gesagt?«
Anne wiederholte fast alles, was sie von Mark Blakemoor
und Lois Ackerly gehört hatte, erwähnte aber das nicht, was
über Glen gesagt worden war. »Und was die Korrektur meiner
Story angeht, nämlich zu behaupten, die Polizei bringe die
Morde an Cottrell und Davis nicht miteinander in Verbindung,
so stimmt das einfach nicht«, beendete sie ihren Bericht. »Sie
haben mir unter der Hand gesagt, daß sie definitive Parallelen
sehen, und daß derselbe Gutachter, der Davis und Cottrell
autopsiert hat, auch unsere Katze untersuchen wird.«
Mißmutig musterte Vivian die Papiere, die Anne auf ihren
Tisch gelegt hatte. »Ich nehme an, daß du dieses Durcheinander hier vom Hals haben willst«, sagte sie und überflog die
Aufzeichnungen.
»Mir scheint, hier gibt es eine Menge Leute, die diese Story
viel besser hinkriegen.«
»Ich glaube nicht, daß das der springende Punkt ist«, gab
Vivian zurück. »Ich kann mir auch vorstellen, daß es ein halbes
Dutzend Leute gibt, die objektiver an die Mordgeschichten
herangehen als du.«
»Kann sein. Aber da ist noch etwas anderes – etwas, das ich
bis jetzt noch niemandem erzählt habe.« Anne gab sich große
Mühe, sich nichts von der entsetzlichen Angst anmerken zu
lassen, die sie letzte Nacht gespürt hatte – und immer noch
spürte, als sie Vivian von der Nachricht erzählte, die auf ihrem
Bildschirm erschienen und so schnell wieder verschwunden
war. »Vivian, zieh noch jemand anderen zu dieser Story hinzu,
wenn du willst, aber laß mich trotzdem weitermachen.« Als die
Chefredakteurin abwinkte, wurde Anne eindringlicher und
sagte: »Irgend etwas Unerklärliches geht hier vor. Hier handelt
es sich nicht nur um einen Nachahmungstäter. Wer immer das
getan hat, führt etwas gegen mich persönlich im Schilde.
Vielleicht versucht jemand, mir einen Schrecken einzujagen,
oder er hat ein Foto von mir gesehen, und ich habe ihm einfach
gefallen. Er ist jedenfalls aus irgendeinem Grund auf mich
fixiert. Und auch wenn du meinst, daß es keine gute Idee ist, an
der Sache dran zu bleiben, weißt du doch verdammt genau, daß
wir sie so darbieten können, daß wir damit eine höhere Auflage
als die ganze Konkurrenz zusammen verkaufen können. Stell
dir die Schlagzeile vor, Viv: ‚Mörder jagt Reporterin des Herald. ’ Ich kann darüber schreiben, ohne Blakemoor und
Ackerly in Schwierigkeiten zu bringen. Denn ich war dabei, Viv! Es war meine Nachbarin, die umgebracht wurde, es war
meine Katze! Und auf meinem Computer hat er diese
verfluchte Nachricht hinterlassen!«
Sie schwieg einen Moment und als sie weitersprach, gab sie
sich keine Mühe mehr, ihre Stimme zu dämpfen: »Mein Gott,
Viv – er beobachtet mich! ‚Ich versuche es lieber mit dir’ hat er
geschrieben! Vielleicht hat er Joyce Cottrell sogar nur deshalb
in den Park geschleppt, weil er wußte, daß ich dort jogge.« Sie
schauderte. »O Gott, ich frage mich, wie lange das schon
geht.« Sie schwieg erneut, weil eine
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