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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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denen, die er
selbst nur ein paar Blocks entfernt bewohnte. Der ehemals
weiße Anstrich war schmutzig geworden und blätterte von der
Wand ab, und einige abgenutzte Möbelstücke standen auf
einem zerschlissenen Teppich. Auf dem Tisch türmten sich
verschiedene Ausgaben irgendwelcher Revolverblätter, und in
der Ecke stand ein Gummibaum, der wohl einging, denn rund
um den Topf lagen seine Blätter auf dem Boden verstreut.
»Warum sind Sie nicht schon in der Bar rübergekommen
und haben hallo gesagt?« fragte die Frau, ging in die Küche
und nahm ein Bier aus dem Kühlschrank. »Wollen Sie eins?
Kostet auch garantiert nichts extra.«
Im ersten Moment wußte der Mann nicht, was sie damit
meinte, aber eine Sekunde später klärte sie ihn auf. »Wie wär’s
mit fünfzig für zwei Stunden?« fragte sie. »Normalerweise
kriege ich zwar wesentlich mehr, aber heute abend tut sich
sowieso nicht mehr viel, und außerdem scheinst du ein netter
Kerl zu sein.«
Der Mann sah rasch zum Fenster. Die Vorhänge waren
zugezogen; kein Lichtstrahl drang von draußen herein.
Hervorragend.
Er ging zu ihr in die Küche. »Das wäre nicht schlecht«, sagte
er. Er stand jetzt genau hinter ihr und schaute ihr über die
Schulter, als sie in einer Schublade nach einem Flaschenöffner
suchte.
Sie fischte ihn aus einem wilden Durcheinander anderer
Haushaltgeräte heraus, aber dem Mann fiel in der Schublade
ein Messer ins Auge.
Es war ein großes Metzgermesser, das ihm entgegenglänzte,
ihn geradezu hypnotisierte.
Die Hände des Mannes begannen wieder zu zittern, und die
schwelende Glut erfüllte ihn ganz, als er seinen Entschluß
getroffen hatte. »Aber ich glaube, ich brauche gar keine zwei
Stunden«, sagte er sanft.
Dann bewegte er sich so flink, daß sie nicht einmal mehr
Zeit zum Schreien fand. Er schlang seinen Arm um ihren Hals
und drückte fest zu. Als sie sich dabei wegdrehte, spürte er das
Knirschen ihrer Genickknochen. Dann erschlaffte ihr Körper,
und er ließ sie zu Boden sinken.
Er schaute sie an.
Hatte er sie getötet?
Er konnte es kaum glauben – es war alles so schnell gegangen, daß er sich nicht einmal daran erinnern konnte, was er
dabei gefühlt hatte. Während er sie aber betrachtete, sah er, daß
sich die Lippen der Frau bewegten und ein kaum hörbarer Ton
aus ihrer Kehle drang. Sie starrte ihn mit weitgeöffneten Augen
an, und jetzt bemerkte er, daß sie gar nicht tot war.
Er hatte sie gelähmt, aber nicht umgebracht.
Er sah sie noch einmal kurz an, und nun erfüllte ihn die
Vorfreude auf das, was kommen würde.
Er griff nach dem Messer.
Er genoß diesen Moment, auf den er sich so gefreut hatte,
derart intensiv, daß er ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Dann
machte er sich ans Werk.
Die Frau, die seit dem Augenblick, da er ihr das Genick
gedreht hatte, völlig gelähmt war, spürte nichts.
Sie starb schnell und bekam von dem Gemetzel, das er mit
ihrem Körper anrichtete, nichts mehr mit.
18. Kapitel
    Der Samstagmorgen zwei Tage danach war einer jener trüben,
grauen Morgen in Seattle, die viel kälter waren, als es das
Thermometer anzeigte. Dieser Morgen war einer, an den Anne
Jeffers’ guter Vorsatz, stets in derselben guten körperlichen
Verfassung wie damals auf dem College bleiben zu wollen,
einer schweren Prüfung unterzogen wurde. Aufzustehen und
sich unter die Jogger im Volunteer Park zu mischen, fiel ihr
selbst dann nicht leicht, wenn viel schöneres Wetter war. Und
sogar im tiefsten Winter war es nicht ganz so schlimm wie
jetzt, weil man im Winter schon im voraus wußte, daß der
nächste Tag genauso feuchtkalt wie der vorige werden würde.
Doch der gestrige Freitag war einer jener trügerisch warmen
Tage gewesen, die einen langen, heißen Sommer versprachen.
Sogar bis in die Abendstunden hinein war es klar und mild
geblieben; und nach dem gemeinsamen Krankenbesuch bei
Glen hatten sie und die Kinder sich auf dem Heimweg sogar
noch ein Eis gekauft.
    Als sie nun im Bett lag und mißmutig aus dem Fenster sah,
wurde ihr klar, daß sie sich von dem gestrigen Klima hatte
täuschen lassen. Es war noch lange nicht Sommer; es schien
eher so, als ob der eben erst beginnende Frühling schon wieder
den Rückzug antreten wollte, um dem Winter noch einmal die
Herrschaft zu überlassen. Die Wolken hatten sich rasch
versammelt, um ihren Inhalt auf die Stadt niederrieseln zu
lassen, und damit war die gute Stimmung des letzten Abends
ertränkt.
    Elender Mist, fluchte Anne.

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