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Blitze des Bösen

Blitze des Bösen

Titel: Blitze des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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zog die Augenbrauen übertrieben hoch. »Da kann
man ja fast neidisch werden! Ich wünschte, mein Vater hätte
auch so gedacht. Er war eher der Ansicht: ‚Wer die Rute spart,
verzieht das Kind.’ Allerdings bellte er immer nur, biß aber
nicht.« Der Arzt setzte wieder eine ernstere Miene auf. »Aber
wie Ihr Vater sich Ihnen gegenüber verhalten hat, spielt in
diesem Fall keine Rolle, denn hier geht es nicht um die Realität. Wir sprechen über Träume und deren Symbolik.« Sein
Blick wanderte zu den unzähligen Schläuchen und Drähten.
»Und was die Elektroden betrifft, die ihr Vater an Ihnen befestigt hat… Ich weiß nicht, ob Ihnen schon aufgefallen ist, wie
viele Kabel an Ihnen herumhängen.« Er grinste, als ihm ein
anderer Gedanke kam. »Vielleicht bin ich sogar die Vaterfigur
aus Ihrem Traum. Wer könnte denn gerade jetzt am ehesten
eine Vaterrolle für Sie übernehmen, als der Arzt, der sie
behandelt?«
Glen wußte, daß diese Erklärung einleuchtend war. Auch die
Angst des Alptraums ergab einen Sinn, denn was konnte
schlimmer sein als ein Herzinfarkt? Noch jetzt konnte er die
Panik nachfühlen, als ihm die Brust zusammengepreßt, der
Schmerz in den Arm geschossen war und sich die Dunkelheit
um ihn geschlossen hatte. Doch obwohl die Erklärung perfekt
paßte, wurde Glen das Gefühl nicht los, daß es hier noch um
etwas anderes ging – daß der Schrecken, den er im Traum
erlebt hatte, sogar den überwog, der ihn während seines
Herzinfarkts erfaßt hatte.
Der Infarkt. Er ließ die ganzen Vorgänge noch einmal Revue
passieren. Er hatte einen absoluten Blackout gehabt, und sein
Erinnerungsvermögen setzte erst in dem Moment wieder ein,
als er im Notarztwagen aufgewacht war. Zumindest einen Teil
der Zeit, die er dort gelegen hatte, mußte er aber wach gewesen
sein, denn wie hätte er sonst die Sanitäter reden hören können?
Und er hatte sie gehört; sogar jetzt noch konnte er sich deutlich
daran erinnern, was sie gesagt hatten.
»Dreihundert Joule.«
»Es klappt.«
»Versuch’s noch einmal mit dreihundertsechzig.«
»Joule.« Das war ein Begriff aus der Elektrizität. Jemand
hatte gesagt: »Geh auf dreihundert Joule!«
Als er endlich begriff, schlug die Wahrheit auf ihn ein wie
die Brandung gegen eine Felsküste.
Er war überhaupt nicht aufgewacht…
Er war tot gewesen. Er war tot gewesen, und die Sanitäter
hatten darum gerungen, sein Herz wieder zum Schlagen zu
bringen und ihn wieder ins Leben zurückzuholen.
Glen fühlte, wie ihm eiskalter Schweiß ausbrach, und eine
Sekunde lang fürchtete er, einen zweiten Infarkt zu erleiden. Er
griff schon nach dem Summer, um die Schwester zu rufen,
doch er beruhigte sich und er ließ den Arm wieder auf die
Decke sinken.
Er war nicht tot, und er würde auch jetzt nicht sterben.
Aber er war nahe dran gewesen, näher, als es ihm bis zu
diesem Augenblick klar gewesen war.
War das der Grund, warum er sich heute so anders fühlte?
Weit weg von allen anderen? War das der Grund, warum er
sich so schwer auf das konzentrieren konnte, was Anne und die
Kinder ihm gesagt hatten?
Er lehnte sich in die Kissen zurück und drehte sich zur Seite,
um aus dem Fenster zu sehen und dachte darüber nach.
Natürlich mußte man sich anders fühlen, wenn man dem Tod
gerade noch von der Schippe gesprungen war…
Er wurde von diesen Gedanken abgelenkt, als er unten auf
der Straße jemanden bemerkte: Er sah den schattenhaften
Umriß eines Mannes, der über die regenglänzende Straße ging.
Einen Moment schien Glen, als ob er den Mann kennen würde.
Aber dann sah der hoch, als hätte er bemerkt, daß Glen ihn
beobachtete. Sein Gesicht wurde kurz vom gelben Schein einer
Straßenlaterne erhellt, und Glen stellte fest, daß er sich geirrt
hatte.
Der Mann war ihm fremd, es war jemand, den er ganz
bestimmt noch nie gesehen hatte.
Einen Moment darauf verschwand der Mann in der Dunkelheit.
17. Kapitel
    Den ganzen Tag über hatte sich der Mann so in seine Phantasien hineingesteigert, daß der Drang, sie auch zu verwirklichen, ständig gewachsen war. Als er schließlich so weit war,
daß er glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, entschloß er
sich zu einem Spaziergang. Bei dieser Gelegenheit konnte er
wenigstens frische Luft atmen und in der Dunkelheit wieder zu
sich finden.
    Niemand würde ihn erkennen.
Niemand würde ihm Fragen stellen.
Aber er war kaum auf dem Gehweg, als er auch schon fühlte,
    daß ihn jemand beobachtete. Er schaute sich

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