Blogging Queen - Profijt, J: Blogging Queen
jagen lassen.
»Darf ich fragen, welches Problem Señora Winterberg in Ihre Obhut geführt hat?«, fragte ich vorsichtig. Mit der Formulierung
hoffte ich, alle Eventualitäten abgedeckt zu haben. Außerdem lieben die Südamerikaner blumige Phrasen. Zumindest die, die
ich kannte. Allerdings waren das eher Gastwirte oder Künstler in Buenos Aires, dem Paris Südamerikas. Militärangehörige oder
Polizisten oder sonstige barsche Typen in einem der abgeschiedensten Landstriche der Welt im chilenischen Teil Patagoniens
gehörten bisher nicht dazu. Das schien sich aber nun gerade zu ändern.
»Wir haben eine Information der deutschen Botschaft vorliegen, dass die deutsche Polizei Señora Winterberg sucht. Wir haben
die Señora nun in unserer Obhut.«
Ich hatte den Eindruck, dass er meinen blumigen Ausdruck von eben etwas spöttisch wiederholte. Egal. Hauptsache, er redete
mit mir.
»Haben Sie schon mit der deutschen Polizei gesprochen?«, fragte ich.
»Der Commissario ist nicht erreichbar unter der Telefonnummer, die ich habe, und niemand spricht dort Spanisch.«
»Bitte geben Sie mir Ihre Telefonnummer, damit ich einen Rückruf des zuständigen Kommissars arrangieren kann.«
Er gab mir seine Telefonnummer.
»Was machen Sie so lange mit Señora Winterberg?«, fragte ich.
»Wir halten sie fest.«
Siedend heiß fiel mir Holger ein. »Was ist mit ihrem Begleiter?«
»Sie ist ohne Begleiter.«
Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. Also doch eine Tragödie.
»Könnte ich noch mal kurz mit Señora Winterberg sprechen?«
»Rufen Sie unter der Nummer an, die ich Ihnen gerade gegeben habe.«
Dann war die Leitung tot.
Ich ließ mich auf den nächstbesten Stuhl sinken und atmete ein paarmal tief ein und aus. Zum Glück absolvierten Flugbegleiter
regelmäßige Trainings für Krisensituationen wie Flugzeugentführungen, Notfall an Bord oder randalierende Passagiere. Die Situation
selbst stand man meist einigermaßen durch, der Stress machte sich nachher bemerkbar, wenn die Anspannung nachließ. Jetzt allerdings
durfte ich mir noch keinen Durchhänger erlauben, denn die Krise war noch nicht vorbei. Ich stand wieder auf, denn Stehen erhöht
die Körperspannung und unterstützt die Konzentration.
Mit zitternden Fingern wählte ich die Nummer, wartete endlos, wie mir schien, und hatte endlich eine Verbindung. Der Hörer
wurde an Sabine weitergereicht, dann erlaubte ich mir, mich hinzusetzen.
»Sabine, beantworte nur die folgenden Fragen, okay?«
Umgang mit Menschen unter Schock, Basislehrgang.
»Bist du verletzt?«
»Nein.«
»Wirst du bedroht?«
»Nein.«
»Hast du Angst um dein Leben?«
»Nein.«
Gut. Damit wären die drei wichtigsten Dinge geklärt. Weiter zu den weniger wichtigen.
»Ist Holger bei dir?«
Schluchzen.
»Ganz ruhig, Sabine. Ich bin bei dir, du bist nicht allein.«
»Okay.«
»Ist Holger bei dir?«
»Er … er … es ist, weil er doch diese Professur …«
»Sabine, sag einfach Ja oder Nein. Ist Holger bei dir?«
Schluchzen. »Nein.«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»Montag.«
Das war vorgestern. »Ging es ihm gut, als du ihn das letzte Mal gesehen hast?«
»Ja.«
»War er verletzt? Wurde er bedroht?«
»Nein.«
»Seid ihr aus freien Stücken getrennt?«
Ein tiefes Luftholen am anderen Ende. »Er hat sich verpisst, als ich von der Polizei abgeführt wurde.«
Oho, Holger hatte Sabine im Stich gelassen? Darum würden wir uns später kümmern. Zunächst war ich froh, dass Sabine das Wort
»verpisst« benutzt hatte. Das zeugte von Wut. Wut war immer besser als Verzweiflung.
»Wo bist du jetzt?«
»Im Gefängnis. Wie der Ort heißt, weiß ich nicht.«
»Behandelt man dich gut?«
»Ja.«
»Durftest du duschen?«
»Sogar heiß.«
»Bekommst du zu essen?«
»Besser als die letzten Wochen.«
»Ist jemand zudringlich geworden?«
»Nein.«
»Hältst du es noch zwei Tage dort aus?«
Schweigen.
»Sabine, ich setze alle Hebel in Bewegung, damit du freikommst, aber das wird vermutlich nicht heute gehen.«
»Das ist okay. Aber du rufst wieder an, ja?«
Ich versprach es ihr, ließ mir den Polizisten noch einmal geben, versprach ihm, dass sich schnellstmöglich jemand vom Landeskriminalamt
bei ihm melden würde, und legte den Hörer auf.
Okay, in Krisensituationen gilt es, das Problem zu analysieren, mögliche Lösungen zu bedenken, diese zu sortieren nach Schnelligkeit,
Sicherheit und Endgültigkeit, dann die geeignete
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