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Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition)

Titel: Blokada: Die Belagerung von Leningrad, 1941-1944 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Reid
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umbringen. Ich habe das aus eigner Anschauung in Kowno gesehen, wo die Letten 6000 Juden erschossen haben, darunter Frauen und Kinder. Selbst ein so rohes Volk wie die Letten konnte dieses Morden schließlich nicht mehr ansehen. Die ganze Aktion verlief dann im Sande. Wieviel schwieriger wird das mit einer Millionenstadt sein.
    Zudem würde das m.E. einen Entrüstungssturm in der ganzen Welt auslösen, den wir uns politisch nicht leisten können.
    Die Zerstörung Leningrads bedeute auch, dass die Kriegsmarine die städtischen Werften nicht nutzen könne, die bei dem noch bevorstehenden Endkampf gegen Großbritannien und Amerika vielleicht hilfreich sein würden. »Schliesslich kann Leningrad auch später verschwinden, wenn wir den Seekrieg gewonnen haben.« Wie die Armeeplaner kam er auf den surrealen Einfall, man solle den Alliierten vorschlagen, Zivilisten – mit Ausnahme von wehr- und arbeitsfähigen Männern – mit Schiffen abzuholen. »Lehnt England/U.S.A. das Angebot ab, so tragen sie vor der Weltöffentlichkeit die Schuld am Untergang dieser Menschen. Nehmen sie es an, so sind wir die Sorge los und ihnen kostet es erheblichen Frachtraum.« 22
    Hitler, der »härteste Mann Europas«, wie er sich gern nannte, war verärgert über diese »Gefühlsduselei«. Am 25. September sagte er beim Abendessen, manch einer frage sich, wie der Führer eine Stadt wie St. Petersburg zerstören könne, doch offensichtlich gehöre er einer ganz anderen Art an. 23 Vier Tage später bekräftigte er seine Entschlossenheit in einer Weisung an die Heeresgruppe Nord: Nach der Niederlage der Sowjetunion könne kein Interesse an der weiteren Existenz dieser Großstadt bestehen. Etwaige Übergabeangebote nach der Einkreisung der Stadt seien abzulehnen, da Deutschland nicht die Verantwortung für die Ernährung und das Überleben auch nur eines Teils der Bevölkerung übernehmen könne. 24
    Die formellen Befehle – Abweisung jeglicher Kapitulation, Zermürbung der Stadt durch Bombardements und Artilleriefeuer, Beschießung von Zivilisten, wenn sie sich den deutschen Linien näherten – wurden am 7. Oktober von Jodl erteilt. Damit endete die Diskussion allerdings noch nicht ganz. Generalfeldmarschall von Leeb, Befehlshaber der Heeresgruppe Nord, vertraute seinem Tagebuch an: »Es ist heute die Entscheidung des OKW [Oberkommando der Wehrmacht] bezüglich der Stadt Leningrad gekommen; danach darf eine Kapitulation nicht angenommen werden. In einem Schreiben der H. Gr. an das OKH wurde daraufhin angefragt, ob nicht in diesem Falle die russischen Truppen in die Kriegsgefangenschaft abgeführt werden können. Soll das nicht geschehen, so führt der Russe einen Verzweiflungskampf weiter, der unsererseits Opfer und wahrscheinlich schwere fordern wird.« 25
    Manche Offiziere sorgten sich auch weiterhin, ob es praktikabel sei, ihre Männer auf fliehende Zivilisten feuern zu lassen. Leebs Generalstabschef, der am 24. Oktober von einer Frontreise zurückkehrte, gab die Meinung eines Divisionskommandeurs weiter, dass seine Truppe einen solchen Befehl einmal ausführen werde, »ob sie aber die Nerven behält, bei wiederholten Ausbrüchen immer wieder auf Frauen und Kinder und wehrlose alte Männer zu schießen, bezweifelte er«. Zwar »bestehe volles Verständnis dafür, daß die Millionen Menschen, die in Leningrad eingeschlossen seien, von uns nicht ernährt werden können, ohne daß sich dies auf die Ernährung im eigenen Land nachteilig auswirkt«, doch die Befehle könnten »dazu führen, daß der deutsche Soldat dadurch seine innere Haltung verliert, d.h. daß er nach dem Kriege vor derartigen Gewalttätigkeiten nicht mehr zurückschrecke«. Der Anblick Tausender von Flüchtlingen, die durch Gattschina und Pleskau nach Süden strömten, habe bereits deutsche Soldaten demoralisiert, die in der Gegend Straßen repariert hätten, denn »wo diese hinziehen, wie sie sich ernähren, ist nicht festzustellen. Es besteht der Eindruck, daß diese Menschen über kurz oder lang dem Hungertode verfallen müssen.« Oberbefehlshaber von Brauchitsch schlug daraufhin vor, vor den eigenen Linien Minenfelder auszulegen, um der Truppe den unmittelbaren Kampf gegen die Zivilbevölkerung zu ersparen. Sobald die Einheiten der Roten Armee um Leningrad kapituliert hätten, könnten die deutschen Soldaten sogar zeitweilig in die Unterkunftsräume verlegt werden. »Auch dann wird ein großer Teil der Bevölkerung zu Grunde gehen, aber doch wenigstens nicht unmittelbar

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