Blond und gefährlich
Street, wo, Iris Mercer zufolge, der Agent des verstorbenen Malers sein Büro
hatte.
Die Galerie war in einem
schmalen Haus, eingeklemmt zwischen einer Boutique auf der einen Seite und
einem schicken Delikateßgeschäft auf der anderen. Ich
trat in ein düsteres Kellergeschoß, in dem alles schwarzgrün war, bis mir
einfiel, meine dunkle Brille abzunehmen. Ein großes dünnes Mädchen kam mit
zielstrebigem Gesicht auf mich zu. Ihr Mikro-Minikleid enthüllte die langen
mageren Beine bis beinahe zur Weggabelung, und eine Kette mit Hippie-Perlen
baumelte um ihren Hals.
»Kann ich Ihnen behilflich
sein, Sir?« fragte sie mit einer Stimme, welche die meisten Leute für
plötzliche Todesfälle in der Familie reserviert halten.
Ich blickte auf die
Metallskulptur, die in der Nähe stand und mich an den Rückstand eines üblen
Autounfalls erinnerte. Die Malereien an der Wand schienen mir alle noch
jenseits von abstrakt zu sein. Eins davon verfügte über ein gespenstisches
Eigenleben — eine große Leinwand, über und über schwarz bemalt, aber alle fünf
Sekunden flammte in der Mitte eine Neonschrift auf: Leben ist der sich empörende Oktopus . Irgendwie entging
mir der Sinn des Ganzen.
»Kann ich Ihnen behilflich
sein, Sir?« wiederholte das ausgezehrte Mädchen mit ihrer Grabesstimme.
»Ich halte nach einem Bild
Ausschau«, sagte ich. »Haben Sie was von Grandma Moses hier?«
Sie gab einen schwachen Miaulaut
von sich und sah aus, als ob sie sich an Ort und Stelle in etwas zu der
Metallskulptur Passendes auflösen würde. »Leider sind Sie hier am falschen
Platz«, sagte sie mit dünner Stimme. »Dies hier ist eine strikt
avantgardistische Galerie.«
»Ich habe nur Spaß gemacht«,
sagte ich großmütig. »Ist Mr. Dumas hier?«
»Sein Büro ist dort hinten.«
Sie sah mich mißtrauisch an. »Er ist sehr beschäftigt.«
»Ich bin am Werk einer seiner
Künstler interessiert«, sagte ich. »Glenn Thorpe.«
»Oh!« Sie entsann sich rechtzeitig
der Notwendigkeit, die Verachtung von ihrem Gesicht verschwinden zu lassen,
bevor sie sich noch richtig entwickelt hatte. »Da kann Mr. Dumas Ihnen
sicherlich helfen.«
»Ihnen liegt wohl Thorpes Stil
nicht?«
»Ich finde, die Tage, in denen
ein Maler als Fotoapparat fungiert, sind längst vorüber.«
»Er malt zumeist Figürliches — Akte.
Stimmt das?«
»Die einzigen Thorpe-Arbeiten,
die ich gesehen habe, waren alles Brustbilder«, sagte sie gleichgültig. »Aber
ich bin sicher, daß Ihnen Mr. Dumas alles erzählen kann, was Sie wissen
wollen.«
Ich ging geradewegs in das Büro
am anderen Ende der Galerie, weil die Tür weit offenstand. Der Bursche, der
hinter dem mit Leder bezogenen Schreibtisch saß, hob den Kopf und blickte mich
mit mildem Erstaunen an. Er war klein, wirkte fast zerbrechlich, trug eine
tiefblaue Nehru-Jacke über einem rosafarbenen Rollkragenpullover, und ein
gewaltsam auf chinesisch getrimmtes Medaillon hing an einer goldenen Kette an
seinem Hals. Die tiefliegenden graugrünen Augen in dem scharfgeschnittenen
Gesicht gaben ihm, kombiniert mit dem üppig wuchernden lockigen braunen Haar,
das Aussehen eines alternden Fauns. »Mr. Dumas?« sagte ich.
»Ich bin Leroy Dumas.« Seine
Stimme klang weich und kultiviert. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wie wär’s, wenn Sie mir die
Hintergründe von Thorpes Leben aufdeckten?« schlug ich vor.
»Was?« Sein Unterkiefer sank
herab.
Ich nahm die vier Fotos heraus
und breitete sie vor ihm auf der Schreibtischplatte aus. »Behaupten Sie bloß
nicht, er habe diese Porträts aus der Phantasie heraus gemalt.«
Er warf einen kurzen Blick
darauf und sah dann mit einem vorsichtigen Schimmer in den Augen zu mir auf.
»Wer sind Sie eigentlich?«
Ich zog meine Dienstmarke
heraus und ließ sie auf den Schreibtisch fallen. »Lieutenant Wheeler vom Büro
des Sheriffs. Thorpe ist gestern nacht ermordet
worden.«
»Glenn — tot?« flüsterte er.
»Und vielleicht waren Sie der
letzte, der ihn lebend gesehen hat«, fügte ich hinzu.
»Er hat ganz gewiß gelebt, als
ich gestern gegen zehn Uhr sein Haus verlassen habe«, sagte er schnell. »Haben
diese Bilder irgend etwas mit seinem Tod zu tun?«
»Die Originale lagen über
seinem Unterkörper ausgebreitet«, sagte ich. »Wer immer ihn umgebracht hat, hat
sich zudem Zeit gelassen, ihm einen Schnurrbart und einen Vollbart auf sein
Gesicht zu malen. Vielleicht ist der Mörder ein Kunstkritiker?«
Seine Hände zitterten ein
bißchen, als er sich eine elegante Zigarette
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