Blonder Kugelfang
Mädchen? Was für
Mädchen?«
»Callgirls«, antwortete ich.
»Aber Benny schwört, daß er Samantha niemals tätowieren ließ, weil ihm ihre
wahren Vorlieben von Anfang an klar waren und er es nur für eine
Zeitverschwendung gehalten hätte.«
Draußen an der Tür hörte ich
ein leises Rascheln.
»Komm rein, du Gans!« schrie
Tracy. »Ich weiß doch, daß du schon die ganze Zeit draußen gelauscht hast.«
Samantha Pike erschien mit
nervösem Gesicht unter der Tür. Sie trug nur ein dünnes kurzes Seidennachthemd,
ihr blondes Haar war ordentlich gebürstet, und die dunkelblauen Augen hatten
immer noch diesen unschuldigen Blick. Ihr Anblick mußte jeden Mann begehrlich
machen.
»Was hast du bloß an dem Wochenende
getrieben?« fragte Tracy mit wutbebender Stimme. »Abgesehen von allem anderen
hast du dich für alle Zeit als Hure brandmarken lassen.«
Samantha sank auf die Couch und
schlug die Beine übereinander. Dabei rutschte der Saum ihres Nachthemdchens
noch höher hinauf.
»Und jetzt benimmst du dich
auch wie eine Hure!« schrie Tracy und gab Samanthas Bein einen heftigen Klaps.
Samantha verzog schmollend den
vollen Mund. »Du brauchst mich gar nicht so anschreien«, sagte sie trotzig.
»Ich sage dir doch, daß ich mich von dem ganzen Wochenende an keinen einzigen
verdammten Vorfall erinnern kann. Vielleicht bin ich krank? Du solltest lieber
einen Arzt rufen.«
»Damit er dich für die nächsten
sechs Monate in ein Privatsanatorium steckt?« fragte Tracy. »Was wird dann aus
den Schallplattenverträgen und Konzerten?«
»Das ist mir doch gleich.« Die
Blondine schmollte noch stärker. »Ich habe es sowieso satt, wie du mich die
ganze Zeit herumkommandierst. Warum haust du nicht
einfach ab und läßt mich in Ruhe?«
»O Gott!« Entmutigt wandte sich
Tracy nach mir um. »Sehen Sie, in welchem Zustand sie ist, Holman ?
Einfach unerträglich.«
»Ich gehe wieder ins Bett«,
verkündete Samantha entschlossen. »Und es ist mir piepegal ,
was ihr beide macht.«
Sie erhob sich vom Sofa und
lief aus dem Zimmer, von meinen aufmerksamen Blicken begleitet; überrascht
merkte ich, wie trocken mein Mund geworden war.
»Ich sollte sie wirklich in
ihrem Elend sitzenlassen, aber wie könnte ich das?« Tracy sank auf die Couch
und brach in Tränen aus. »Ich liebe sie doch.«
»Jedenfalls müssen Sie eine
Entscheidung treffen«, erinnerte ich. »Entweder nehmen Sie Bonettos Angebot an, oder Sie lassen mich mit meinen Ermittlungen weitermachen.«
»Ich will doch wissen, was
wirklich geschehen ist«, seufzte sie. »Das muß ich einfach!«
»Aber es könnte gefährlich
werden«, warnte ich.
Sie setzte sich auf, holte ein
Taschentuch heraus und wischte sich entschlossen die Augen. Dann funkelte sie
mich an. »Gefährlich für wen — für Sie?« höhnte sie. »Angeblich ist es doch Ihr
Beruf, Risiken einzugehen, haben Sie das vergessen? Deshalb berechnen Sie ja
auch so horrende Honorare.«
»Nicht nur für mich
gefährlich«, sagte ich geduldig. »Auch für Samantha und für Sie selbst.«
»Warum?«
»Wenn Sie Bonettos Angebot ablehnen, wird ihm das gar nicht behagen. Und bestimmt tut er etwas
dagegen.«
»Sie ist so undankbar«, klagte
Tracy, »aber ich kann sie einfach nicht verlassen. Ohne mich ist sie ein
Niemand.«
»Sie findet schon einen neuen
Manager«, tröstete ich.
»Aber Sie verstehen nicht!
Samantha ist nur eine Stimme. Jeder glaubt zwar, daß sie ihre eigenen Lieder
singt, aber wollen Sie die Wahrheit wissen? Was glauben Sie wohl, wer ihre
Songs schreibt?«
»Sie?«
Heftig nickte sie. »Deshalb
sind wir ein so gutes Team. Sie singt, ich mache die Texte und die
Organisation, und überdies mochten wir uns auch gern. Deshalb war ja alles so
perfekt.« Wieder begann sie zu schluchzen. »Es ist mir ganz egal, welches
Risiko damit verbunden ist, Holman ! Ich möchte lieber
sterben, als weiter mit der Ungewißheit zu leben, was
Samantha am Wochenende zugestoßen ist. Können Sie das nicht verstehen?«
»Nein«, brummte ich. »Aber die
Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich habe Bonetto versprochen, daß ich ihn darüber unterrichte. Bis heute
abend kann ich ihn noch hinhalten, aber nicht länger.«
»Sagen Sie es ihm doch gleich«,
meinte sie. »Mir ist es egal. Wenn wir nicht herausfinden, was mit meinem
Darling passiert ist, möchte ich sowieso lieber tot sein.«
»Aber Sie brauchen Schutz«,
erinnerte ich. »Ich kann nicht recherchieren und gleichzeitig auf Sie
aufpassen. Zwei Leute von einer guten
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