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Blondes Gift

Titel: Blondes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Louis
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versuchten, etwas über seine Frau und sein Kind zu erfahren – und was er in Philadelphia zu suchen hatte. Doch der Typ war stur und mehr als nur ein bisschen verrückt. Er hörte nicht auf, lautstark nach dem FBI oder jemandem vom Heimatschutz zu verlangen und flehte noch immer, nicht allein gelassen zu werden.
    Schließlich machte Sarkassian folgende Ansage:
    Lassen wir ihn ein bisschen alleine.

6:48 Uhr
    F indet man sich erst mal mit der Vorstellung ab, dass man ein Scheusal ist, hilft einem das zu funktionieren. Das körperliche Ich kann Misshandlungen besser ertragen, kann das eigene Menschsein besser abspalten. Denn unter all dem Fleisch gibt es letztlich keine Menschlichkeit.
    Und vielleicht nur darum schaffte Kowalski es, sich aufzurichten und zu versuchen, sich in etwas zurückzuverwandeln,
das Ähnlichkeit mit einem Menschen hatte. Genau das taten Scheusale.
    Er hatte seinen Blick über die Trümmer der verlorenen Kindheit wandern lassen – und sich erinnert: Die besten Einsätze lieferten die Ausrüstung gleich mit.
    Als Erstes hatte er unter dem Zubehör für eine Miniaturnähmaschine Nadel und Garn gefunden. Die Schnittwunden an seinem Körper konnte er mit Verbänden und Kleidungsstücken abdecken. Aber sein Gesicht? Sein Gesicht musste verarztet werden. Von Sanitätern? Wohl kaum. Aber was machte das einem Scheusal schon aus?
    Die Metallstützen von den Regalen? Eine Beinschiene, a la Mad Max. Was genau er sich gebrochen hatte, konnte er später immer noch feststellen. Solange sie sein Gewicht trugen.
    Ein wenig Wasser aus dem Waschbecken für die Angestellten, und er schaffte es sogar, seine Kleidung einigermaßen zu glätten und die Glasscherben und den Staub und die Holzsplitter zu entfernen. Und das verkrustete Blut von den Wunden zu waschen, die er mit violettem und rosafarbenem Faden genäht hatte.
    Als er fünfundvierzig Minuten später das herrenlose Spielwarenlager verließ, sah das Scheusal wieder halbwegs menschlich aus. Er überprüfte sein Aussehen in der Fensterfront eines anderen Ladens. Er wirkte blass, aber das Blut war verschwunden. Wenn die Leute Blut sahen, gerieten sie in Panik. Ansonsten kamen
sie mit allem zurecht. Sogar mit seinem genähten Gesicht und seiner rostigen Beinschiene.
    Er wandte sich an einen Passanten, und schon hatte er die Informationen, die er brauchte: Ja, da war ein seltsamer Typ gewesen, der herumschrie und in Handschellen abgeführt wurde.
    Jack, sein Mann.
    Er lebte, zumindest bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung.
    Das nächste Polizeirevier war das fünfzehnte; er nahm ein Taxi dorthin und zückte seinen Heimatschutz-Ausweis. Detective Hugh Sarkassian war fast ein wenig eingeschüchtert und ließ sich durch die geprägte Oberfläche und das Adler-Hologramm und von den violetten Stichen in Kowalskis Gesicht und der Beinschiene ablenken. Kowalski teilte ihm mit, dass Jack Eisley mit Ermittlungen von ihm zu tun habe. Nein, er war kein Terrorist, nur ein durchgedrehter Informant.
    »Der noch am Leben ist, hoffe ich?«, fragte er beiläufig.
    »Ja«, sagte Sarkassian. »Aber wir lassen ihn grade ein bisschen schwitzen.«
    Kowalski nutzte die Gelegenheit. »Er hat Sie angefleht, ihn nicht allein zu lassen, stimmt’s?«
    Sarkassians Gesicht hellte sich auf. » Ja. Was hat es verdammt noch mal damit auf sich?«
    Kowalski verdrehte die Augen auf eine Weise, die ihm signalisierte: »Das willst du überhaupt nicht wissen, Kollege« – dann deutete er auf das Zimmer. »Was dagegen?«

    Und um genau 6.48 Uhr stand er in der Tür des Verhörzimmers.
    Keine Sekunde zu früh, wie der Ausdruck in Jacks Gesicht verriet.
    Er hatte Schmerzen.

6:49 Uhr
    I ch dachte, ich sterbe.« »Alles bestens. Ich heiße Mike Kowalski, Ministerium für Heimatschutz. Wir machen Amerika sicher, damit die einheimischen statt der ausländischen Arschlöcher unsere Bürger schikanieren können, blablabla«, sagte er. »Aber ist das wirklich wichtig? Nach der Nacht, die Sie hatten, Jack?«
    »Wer sind Sie?«
    Jack musterte den Typen, der ihm merkwürdig bekannt vorkam, mal abgesehen von den violetten und rosafarbenen Nähten in seinem Gesicht – waren im Krankenhaus die Fäden für die Erwachsenen ausgegangen?
    Moment mal.
    Dieser Typ.
    Das Hotelzimmer.
    Das war der Typ, der den Sicherheitsmann gewürgt hat.

    »Oh nein.«
    Kowalski humpelte zum Tisch und rutschte auf den Stuhl. Er streckte die Hand aus und griff nach der von Jack. Kowalski trug weiße Handschuhe, die so eng waren, dass

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