Blondine ehrenhalber
verbrachten«, sagte sie. »Du kannst nicht leugnen, dass wir eine lawinenartige Presse von der Post gekriegt haben. Und dass uns diese Presse massenweise neue Kundschaft beschert hat.«
»An dem Tag bist du mit den vielen Zeitungsexemplaren gekommen«, sagte Amanda. »Ich habe gedacht, du hättest sie gekauft.«
»Walter hatte sie mir gegeben.«
»Claude, die Designerin, und Mabel, der Maler?«
»Ihre Namen hatte ich von Piper.«
»Keine Studenten?«, fragte Amanda.
Clarissa schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht.«
Inzwischen war Amanda klar: Clarissa war eine pathologische Lügnerin. Alles, was sie über ihre persönlichen Beziehungen gesagt hatte, war falsch. Obendrein hatte sie vorsätzlich die Konkurrenz zwischen den Schwestern geschürt, damit sie zwischen den beiden hin- und herlavieren konnte.
»Was ich nicht verstehe: Warum hast du das alles gemacht?«, fragte Amanda.
Clarissas Mund bildete nur noch eine dünne, gerade Linie. »Ich wollte mein Projekt für die Uni durchziehen.«
»Von dem Augenblick an, als du zu unserer Tür hereinspaziertest, bist du etwas zu penetrant vorgegangen. Du hast uns überfallen.« Amanda formulierte den Vorwurf, obwohl sie nicht ganz sicher war, ob er stimmte. »Bist du wenigstens Studentin und kurz vor dem Abschluss?«
»Klar bin ich Studentin und kurz vor dem Abschluss! Okay. Es war so: Piper bat mich, zu euch in den Laden zu gehen und meine Dienste anzubieten. Ich dachte, er wäre großzügig. Er sagte, er kenne Francesca aus der Zeit, als sie Zeitschriftenredakteurin war, und dass er sie nicht aus den Augen verloren habe und ihr helfen wolle. Ich dachte, er wollte ihr anonym einen Gefallen tun.«
»Du musst doch gemerkt haben, dass er genau das Gegenteil bezweckte«, sagte Amanda.
»Ich wollte ihm einfach glauben. Er hatte mir nach meinem Abschluss einen Job bei der Zeitung versprochen. Das war es wert. Meine Ideen und Bemühungen, das Café zu retten, waren echt. Ich liebe die fliederfarbenen Wände. Ehrlich.« Sie blickte zu Boden. »Ich bin auch ein Opfer.«
»So ein Mist«, sagte Matt. Er trug ein Tablett mit Tassen und einer Kanne Kaffee herein und lud alles auf dem Tisch ab. »Ich weiß, was du bist«, sagte er zu Clarissa. »Opfer ist nicht das richtige Wort dafür.«
»Jetzt kommt es nicht mehr darauf an, was ihr denkt«, ent-gegnete Clarissa. »Was passiert ist, ist passiert. Ob ihr mir glaubt oder nicht, es ändert auch nichts mehr.«
Zu dieser finsteren Bemerkung schenkte Matt den Kaffee ein. »Was glaubt ihr, was sie da drin macht?«, fragte er und deutete mit dem Kopf in Richtung von Franks Zimmer.
Auch Amanda stellte sich diese Frage. Kein Laut drang zu ihnen. Schließlich erhob sie sich und ging den Flur entlang. Gerade, als sie die Hand auf den Türknauf legen wollte, flog Franks Tür auf. Ihre Schwester hatte sich ihre weiten Klamotten übergezogen — ausgebeulte Jeans, ein langärmeliges T-Shirt und leichte Turnschuhe. Ihr Gesicht war ausdruckslos, die Stumpfheit ihrer Augen versetzte Amanda in Angst und Schrecken.
»Frank, möchtest du frischen Kaffee?«, fragte Matt.
»Ich habe Clarissas Geschichte durch die Tür gehört«, sagte sie, während sie ins Wohnzimmer kam. Frank nahm eine der drei unberührten Kaffeetassen. »Venezuela mit« — sie roch intensiv an dem Kaffee — »Mexiko und« — sie nippte — »einem Hauch Brasilia.« Selbstverständlich hatte sie Recht. Amanda fragte sich, wie Frank es ohne Kaffee aushalten würde, wenn sie den Laden schließen müssten. Amanda mochte die Sensiblere sein, aber was Kaffee anbelangte, war Frank eindeutig sensibler.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen«, verkündete Frank.
Alle blickten sie an. »Was es auch sein mag, wir unterstützen dich.«
»Unterstützt mich lieber nicht so schnell«, warnte Frank.
»Was du auch tun willst, ich bin einverstanden«, versicherte Amanda.
Frank nickte abwesend und setzte sich neben ihre Schwester auf die Couch. Während sie sprach, starrte sie so intensiv auf ihre Tasse, als würde der liebe Gott jeden Moment auf der Kaffeeoberfläche erscheinen.
»Wäre Clarissa vor zwei Wochen nicht ins Barney Greenfield’s gekommen, würden wir vor dem Bankrott stehen. Den Wettbewerb bereue ich nicht, er war durchaus erfolgreich. Mir hat die Idee gefallen, Leute zusammenzubringen, das Café zu einem Treffpunkt für Fremde zu machen, zu einer Anlaufstelle für Menschen, die dadurch weniger einsam im Leben wären. Leider werden wir wegen all dieser...
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